"Beim Spielen bin ich viel lauter und extrovertierter als im echten Leben": Schauspielerin Emily Cox im Interview

Zu "Unsichtbarer Angreifer" und "Unschuldig - Der Fall Julia B." In Wien geboren, in der Welt zu Hause: Die britisch-irische Schauspielerin Emily Cox liebt es, in ihren Rollen unterschiedliche Varianten ihrer selbst zu spielen. Zu ihren populärsten und bekanntesten Werken zählen das britische Historienspektakel "The Last Kingdom" und die Comedyserie "jerks.".

Am häufigsten wird die Schauspielerin Emily Cox (39) auf zwei höchst unterschiedliche Rollen angesprochen: die der taffen Wikingerkriegerin Brida in der britischen Historienserie "The Last Kingdom" und die der leidgeprüften Freundin von Christian Ulmen in der Impro-Comedyserie "jerks." Die in Wien geborene Tochter einer Irin und eines Briten erklärt im Interview unter anderem, auf welches Projekt sie besonders stolz ist, wie es war, im am Montag, 13. Mai, ausgestrahlten ZDF-Psychothriller "Unsichtbarer Angreifer" mit einem Roboter zu spielen, und wie sie versucht, ihre Handysucht in den Griff zu bekommen. Außerdem verrät sie ihre besten Tipps für einen Wien-Besuch und erklärt, was es mit dem Stück "Their Master's Voice" auf sich hat, in dem sie mit zwei Superstars im April in Monte Carlo spielte und im Sommer auch in Wien und Paris auftreten wird.

teleschau: Frau Cox, Sie waren gerade in Monte Carlo, wo Sie unter anderem mit John Malkovich und Cecilia Bartoli in der Produktion "Their Master's Voice" auf der Bühne standen. Beeindruckend!

Emily Cox: Ja, ich war gerade vier Wochen in Monte Carlo mit diesen tollen Leuten. John Malkovich ist ein totaler Schatz, ein lieber Kerl, das war echt schön.

teleschau: Können Sie kurz erklären, um was genau es sich bei dem Stück handelt?

Emily Cox: Es ist im Grunde ein Theaterstück mit Liedern dazwischen, John und ich spielen, und Cecilia Bartoli und Philipp Mathmann singen dazwischen immer wieder Lieder. John spielt einen gealterten Opernstar, und ich spiele die Regieassistentin, die diesen Abend inszenieren muss. Wir haben aber noch keine Sopranisten gefunden - und die Putzfrau kann extrem gut singen ...

Wikingerkriegerin und leidgeprüfte Freundin von Christian Ulmen

teleschau: Von 2015 bis 2022 spielten sie in der gefeierten britischen Historienserie "The Last Kingdom" die Wikinger-Kriegerin Brida. Ist das die Rolle, auf die Sie am häufigsten angesprochen werden?

Emily Cox: Ja - lustigerweise auf Brida in "The Last Kingdom" und auf Emily in der Comedyserie "jerks." Das sind zwei sehr unterschiedliche Figuren.

teleschau: Und beide aus unterschiedlichen Gründen sicherlich herausfordernd, oder?

Emily Cox: Ja, und großer Spaß! Bei Brida war das Tolle, eine Kämpferin zu spielen, die so stark ist und die auch so eine große Entwicklung durchmacht, die Protagonistin ist und am Ende eigentlich Antagonistin. Das glaubhaft darzustellen, war eine große Challenge und hat total Spaß gemacht - die ganzen Kampfszenen, das Reiten ...

teleschau: Und "jerks."?

Emily Cox: "jerks." wiederum war ja komplett improvisiert. Da war es nicht so leicht, weil ich eine Figur gespielt habe, die ganz anders ist als ich, die sich nämlich nie wehrt und immer nur einsteckt. Was nicht so leicht war beim Improvisieren, war, immer den Mund zu halten und einfach nur zu schauen, wenn ich beleidigt wurde. Aber wenn eine Person immer nur einsteckt, ist es halt lustiger, als wenn man sich wehrt ...

Unterschiedliche Varianten von sich selbst

teleschau: Sie sind in den nächsten Tagen im Psychothriller "Unsichtbarer Angreifer" im ZDF zu sehen und kurz vorher in der ARD in "Unschuldig - Der Fall Julia B.". Erneut keine einfachen Rollen.

Emily Cox: Das stimmt, auch diese Rollen waren spannende Herausforderungen! Worauf ich auch stolz bin, ist die Serie "37 Sekunden", die 2023 im Ersten lief und immer noch in der Mediathek abrufbar ist. Damit waren wir gerade für den Grimmepreis nominiert. Sie bedeutet mir sehr viel. Ich finde es übrigens interessant, wie unterschiedlich Leute mich wahrnehmen. Man entscheidet sich, das ist bei jedem so, im Alltag eine Version von sich zu leben, aber eigentlich gibt es ja ganz viele Versionen von jedem, man könnte sich auch für eine ganz andere Version von sich selbst entscheiden.

teleschau: Für welche Version würden Sie sich denn gerne mal entscheiden?

Emily Cox: Was ich ganz cool beim Spielen finde, ist dass ich da, glaube ich, viel lauter und extrovertierter bin als im echten Leben. Und es ist toll, einen Ort zu haben, wo man das zulassen kann.

teleschau: Man sagt Schauspielerinnen und Schauspielern ja nach, dass sie oft eher unsicher sind im wahren Leben und sich gewissermaßen hinter ihren Rollen auch verstecken können.

Emily Cox: Ich würde nicht sagen, dass ich mich verstecke, sondern dass das alles Facetten von mir sind. Das finde ich das Spannende daran, dass man in sich so viele Varianten trägt. Es fühlt sich nicht so an, als würde ich eine Figur spielen, sondern eine Variante von mir.

teleschau: Es steckt also in jeder Rolle etwas von Ihnen selbst? Bedient man sich immer eigener, persönlicher Erfahrungen beim Spielen?

Emily Cox: Die einen sagen, es darf nichts mit einem zu tun haben, und die anderen sagen, es muss. Ich denke, alles, was funktioniert, ist super.

Segen und Fluch technischer Hilfsmittel - im Leben wie im Film

teleschau: Sie arbeiten sehr viel. So wie die Psychotherapeutin Emma, die Sie im Psychothriller "Unsichtbarer Angreifer" darstellen. Sie lebt in einem Smarthome, verwendet zahlreiche Apps, die ihr stressiges Leben organisieren sollen. Wie stehen Sie selbst zur modernen Technik?

Emily Cox: Ich denke, alles, was unterstützt, ist grundlegend erst mal gut. Aber ich habe das Gefühl, dass ich auch süchtig bin, was mein Handy betrifft, das finde ich auch sehr beunruhigend. Die Unruhe, die ich spüre, wenn ich es mal länger weglege, erinnert mich daran, als ich früher mal geraucht habe.

teleschau: Also ist es wirklich eine Art Sucht

Emily Cox: Ja, deswegen halte ich es für wichtig, immer wieder mal abzuschalten und nicht erreichbar zu sein und auch nicht dauernd auf das Telefon zu sehen. Und ich glaube auch, dass wir verlernt haben, uns auch mal langweilig sein zu lassen, um Erholung zu finden. Wenn mir mal langweilig ist, was wegen der Arbeit selten vorkommt, passiert mir mit dem Handy eben oft, dass ich, statt beispielsweise mal in Bäume zu schauen, etwas auf dem Handy mache, Social Media oder so. Diese Phasen von Langeweile finden nicht mehr statt, so können auch Phasen der Regeneration schwieriger stattfinden. Ich habe mir tatsächlich für die unterschiedlichen Apps Timer gestellt, damit ich zumindest mitbekomme, wie viel Zeit ich damit verbringe und verliere. Whatsapp vor allem, da habe ich nach 20 Minuten keinen Zugriff mehr ... außer, ich gebe einen Code ein. (lacht)

teleschau: Für "Unsichtbarer Angreifer" haben Sie in einem Smarthome gedreht, ein auf verstörende Weise putziger Roboter ist fast Familienmitglied. Sehen Sie die technische Entwicklung jetzt skeptischer als vor den Dreharbeiten?

Emily Cox: Beim Dreh war viel auch gefaked. Den Roboter gibt es zwar tatsächlich, aber er kann sehr, sehr wenig. Er ist eher eine Unterhaltungsmaschine für Liebhaber, würde ich sagen. Also noch, vielleicht ändert sich das ja. Aber er war auf jeden Fall der unterhaltsamste Kollege, den ich je hatte, weil er manchmal komplett das Gegenteil von dem gemacht hat, was er sollte. Die Regisseurin und ich haben Tränen gelacht, als er in einer ernsten Szene anfing, sich nur noch im Kreis zu drehen und immer dasselbe Wort zu sagen, weil er sich aufgehängt hat. Oder er ist einfach mal aus der Szene gefahren. Es hat auf jeden Fall lang gedauert, mit ihm zu drehen.

Zwischen Wien und Berlin

teleschau: Sie wohnen in Ihrer Geburtsstadt Wien und in Berlin und pendeln zwischen beiden Orten. Klingt ebenfalls stressig.

Emily Cox: Eigentlich wäre es unstressig, wenn es nur Wien und Berlin wären, aber in diesem Beruf ist man so viel unterwegs und ständig woanders. Ich versuche aber gerade, tatsächlich mehr an einem Ort zu sein und auch mehr abzusagen, damit ich mehr zu Hause bin. Es gab Jahre, da war ich gar nicht zu Hause, weil ich von Projekt zu Projekt, von Stadt zu Stadt gefahren bin.

teleschau: Wo sind Sie lieber, Wien oder Berlin?

Emily Cox: Ich weiß es nicht, klar, ich bin in Wien geboren und aufgewachsen. Ich liebe aber die Mischung und bin daher froh, auch in Berlin Zeit verbringen zu können, weil ich dort die Offenheit, Kreativität und auch die Wildheit liebe.

teleschau: Wien wurde kürzlich wieder einmal zur lebenswertesten Stadt der Welt gekürt.

Emily Cox: Das ist auch wirklich so, Wien ist einfach unfassbar angenehm und schön, man hat alles, es ist eigentlich die perfekte Stadt zum Leben.

teleschau: Was sollten Wien-Besucher unbedingt machen? Und wo gibt es zum Beispiel den besten Kaiserschmarrn?

Emily Cox: Man kann wahnsinnig gut essen in Wien. Zum Beispiel im Lokal "Zum schwarzen Kameel" im ersten Bezirk, da haben sie bestimmt auch Kaiserschmarrn, habe ich aber noch nie probiert. Man kann aber auch unfassbar gut Sushi essen im "Kojiro" auf der Rechten Wienzeile.

teleschau: Und abgesehen vom Essen?

Emily Cox: Klar, die touristischen Sachen sind schon sehr schön: Schönbrunn, die Museen - ich mag das Leopold-Museum sehr gern, wenn man Bildende Kunst mag. Die Kaffeehäuser sind natürlich sehenswert. Aber was viele nicht wissen, wenn sie nach Wien kommen, ist der Wienerwald. Ich liebe die Natur. Aber Berlin ist auch super. Die Mischung macht es. Wien und Berlin sind ein bisschen wie Ying und Yang.

"Mir geht es in erster Linie darum, wie Filme gemacht werden."

teleschau: Was steht beruflich als Nächstes an?

Emily Cox: Als Nächstes drehe ich "Mama ist die Best(i)e" mit Adele Neuhauser in der Hauptrolle, deren Tochter ich spielen werde. Wir haben in einem "Tatort" schon mal zusammengespielt, ich mag Adele Neuhauser sehr, sehr gerne, sie ist eine tolle Kollegin.

teleschau: Haben Sie das Gefühl, Ihre Traumrolle schon gespielt zu haben, oder sind da noch Wünsche offen?

Emily Cox: Mir geht es in erster Linie darum, wie Filme gemacht werden. Jede Rolle würde mich auf eine Art interessieren, solange sie etwas Echtes hat und etwas echt Menschliches, Authentisches, keine Schablone von einer Figur ist.

teleschau: Was hat Sie entsprechend an der Rolle in "Unsichtbarer Angreifer" besonders gereizt?

Emily Cox: Dass Emma auch Abgründe hat und nicht nur die perfekte Heldin ist, sondern dass sie im Grunde auch eine posttraumatische Belastungsstörung (infolge des Suizids einer Patientin) hat und trotzdem versucht, zu funktionieren. Das fand ich spannend.

teleschau: Im Krimidrama "Unschuldig - Der Fall Julia B.", der am 4. Mai im Ersten läuft, spielen Sie eine Frau, die fünf Jahre unschuldig wegen Mordes in Haft war und nun freigesprochen wird. Sie möchte in ihr altes Leben zurück, aber sie ist überraschenderweise gar nicht rachsüchtig.

Emily Cox: Ich habe mir das so erklärt, dass es vielleicht auch daran liegt, ohne zu viel zu verraten, dass sie auch immer ein Gefühl von Schuld mit sich getragen hat. Was ich vor allem spannend an der Rolle fand, war die Frage, wie man nach fünf Jahren wieder ins Leben zurückfindet nach so langer Haft. Ich weiß nicht, ob Leuten wie Julia im echten Leben genug dabei geholfen wird.

teleschau: "Unschuldig" basiert ja auf einer britischen Serie, haben Sie sich diese vorher angesehen?

Emily Cox: Nein, absichtlich nicht, ich habe bei "The Last Kingdom" auch bewusst nicht die Serie "Vikings" angeschaut, um nicht zu versuchen, etwas zu kopieren.

Reiner Zufall

teleschau: Wie kamen Sie eigentlich zu der Rolle in der britischen Produktion "The Last Kingdom"?

Emily Cox: Reiner Zufall. Eigentlich wurde für meine Rolle in England und Amerika nach Schauspielerinnen gesucht, aber dann landete ein E-Casting, das man selbst zu Hause aufnimmt, bei meinem Agenten. Ich habe das mit Freunden aufgenommen und abgeschickt und dann Monate lang nichts gehört, bis ich nach London zum Casting eingeladen wurde - damals sogar noch auf eigene Kosten.

teleschau: Nicht wahr!

Emily Cox: Doch, und dann wurde ich besetzt noch bevor der Hauptdarsteller Alexander Dreymon besetzt wurde, der den Protagonisten Uhtred spielt.

teleschau: Ach, Sie haben ihn quasi mit ausgesucht? Die Beziehung zwischen Uhtred und Ihrer Brida ist ja eine sehr wichtige.

Emily Cox: Ja, es wurden tatsächlich noch ein paar Uhtreds dann mit mir gecastet.

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