Das IZDA: Ein neues Kapitel auf dem Sonnenberg

Elenas Kommentar Zur Eröffnung des ersten internationalen Zentrums in Chemnitz und dessen Bedeutung für die Nachbarschaft

Elenas Kommentar
Chemnitz. 

Am 3. März öffnet das IZDA, das Internationale Zentrum für Demokratie und Aktion, auf dem Sonnenberg seine Türen für die Öffentlichkeit. Diese bedeutende Eröffnung markiert einen Meilenstein in der soziokulturellen Landschaft von Chemnitz.

Ein Ort für Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte

Das IZDA ist eine Initiative von Geflüchteten, Migrantinnen, Migranten und ihren Verbündeten in Chemnitz. Als gemeinnütziger Verein ("Internationales Zentrum für Demokratie und Aktion e.V.") bietet es einen Raum für Selbstorganisation, Vernetzung und Veranstaltungen für Menschen, die von Rassismus betroffen sind. Das IZDA ist das erste soziokulturelle und politische Zentrum in Chemnitz, das von Migrantinnen und Migranten selbstorganisiert wird. Selbstorganisierung bedeutet in diesem Kontext, dass keine Institutionen, sozialen Träger oder Parteien in die Organisation des Zentrums involviert sind. Das Projekt ist politisch unabhängig und wird ausschließlich von den aktiven Mitgliedern gestaltet. Ich bin neugierig geworden und treffe zwei Mitglieder des Vereins im IZDA. Die Vorbereitungen zur anstehenden Eröffnung sind noch in vollem Gange. Doch schon jetzt zeigt sich, dass die Räume mit viel Liebe fürs Detail gestaltet werden. Bei dampfendem Tee sitzen wir in dem olivgrün gestrichenen Beratungsraum. Die beiden Frauen beginnen zu erzählen.

Zur Geschichte des IZDA

Im Herbst 2022 trafen sie sich zum ersten Mal: eine Schülerin, zwei Azubis, zwei Studierende und vier Berufstätige. Acht Personen im Alter von 19 bis 55 Jahren aus fünf verschiedenen Ländern. Manche von ihnen waren schon jahrelang in verschiedenen Projekten organisiert, für Andere was es das erste politische Treffen. "Schnell war klar: Wir alle wünschen uns Räume für unsere Communities und wollen zusammenarbeiten, um ein Gesellschaftszentrum aufzubauen!" so Alina, die von Beginn an dabei ist. Der "Arabische Verein für Integration und Kultur e.V." sei schon einige Zeit erfolglos auf der Suche nach eigenen Räumen gewesen. Ebenso Mitglieder der kurdischen Gemeinschaft in Chemnitz. Nach kurzer Zeit beteiligte sich auch der "Afghanische Verein Faiz Mohammad Katib Hazara Chemnitz e.V.", dessen Vereinsraum zu klein ist für die große Anzahl der Afghaninnen und Afghanen in Chemnitz. "Am Anfang sind schnell neue Leute dazu gekommen. Wir sind gezielt auf bekannte Personen in den Communities zugegangen und haben sie eingeladen, am Aufbau des IZDA mitzuwirken" erzählt Alina und kippt drei Löffel Zucker in ihren Tee. Im Mai 2023 gründete die junge Gruppe ihren gemeinnützige Verein. Nach langer Wartezeit und intensiven Vorbereitungen erhielt die Initiative im Oktober 2023 endlich die Schlüssel für ihre Räume in der Gießerstraße 26 auf dem Sonnenberg.

Vereinigung durch das gemeinsame Ziel: Räume schaffen!

Viele Organisationen oder Gruppen in den Bereichen Kultur und Politik leisten erst einige Jahre Kampagnen-Arbeit, bis sie sich dazu entschließen, eigene Räume zu suchen. Nicht so das IZDA. Die Vorsitzende des Vereins, Fatima Maged, erzählt stolz, wie schnell die gemeinsame Ebene gefunden wurde. "Wir haben uns von Beginn an unter diesem Ziel vereint. Die meisten von uns kannten sich vorher gar nicht und sind nur für diesen Zweck an einen Tisch gekommen. Schnell war klar: Wir alle wünschen uns ein soziokulturelles und politisches Zentrum für Migrant*innen in Chemnitz und wollen gemeinsam dafür arbeiten". Ein Projekt wie dieses hat es in Chemnitz noch nie gegeben. Nach anderthalb Jahren intensiver Vorbereitung und Arbeit ist die Realisierung dieses Projekts endlich gelungen: Das IZDA öffnet seine Türen am 3. März.

Eine Antwort auf gesellschaftliche Herausforderungen

Chemnitz steht vor vielfältigen Herausforderungen im Umgang mit Rassismus und sozialer Ungerechtigkeit. "Das IZDA ist nicht nur ein neuer Raum, sondern ein Symbol für Gemeinschaft und Demokratie in Chemnitz" so erklärt es Fatima Maged lächelnd. "Es steht für den Wunsch nach einer inklusiven Gesellschaft und einer aktiven Zivilgesellschaft, die für ihre Werte eintritt". Das IZDA soll ein Ort sein, der ungehörten Themen Raum gibt und sich für die benachteiligten Gruppen der Gesellschaft einsetzt. Alina berichtet, dass sich zwar an verschiedenen Fronten in Chemnitz für Demokratie eingesetzt wird, jedoch gemeinsame Strukturen fehlen, die eine große zivilgesellschaftliche Wirkung erzielen. "Viele Gruppen engagieren sich seit Jahren gegen Rassismus, rechtsradikale Strukturen und patriarchale Gewalt. Viele Leute setzen sich ein für Demokratie, für ein gesellschaftliches Miteinander und Chancengleichheit. Doch viele Projekte gehen aneinander vorbei!". Das IZDA möchte verschiedene außerparlamentarische Organisationen, Communities und Einzelpersonen zusammenbringen - ganz besonders Diejenigen, denen politische Teilhabe sonst verwehrt wird.

Chemnitz ist mehr als eine rechte Stadt

Chemnitz hat seit den 1990er Jahren eine traurige Bekanntheit als ein Rückzugsort für Neonazis in Deutschland erlangt. Die Stadt beheimatet bis heute starke rechte Strukturen, die sich im Stadtrat, im Fußball, im Kampfsport, im Rechtsrock, im Vertrieb rechtsradikaler Produkte und im Sicherheitsgewerbe manifestieren. Seit 2018 hat sich daran wenig verbessert. Doch Chemnitz ist mehr als das. Fatima beschreibt, was sich in Chemnitz gewandelt habe: "In den letzten Jahren haben die politischen Aktionen der Chemnitzerinnen und Chemnitzer ihren Willen zur politischen Veränderung sowie das Potenzial der demokratischen Selbstorganisierung von Migrantinnen und Migranten in Chemnitz deutlich gemacht. Viele Menschen, die von Rassismus betroffen sind, sehnen sich nach einer Gesellschaft ohne Diskriminierung und Gewalt". Doch dafür fehlten oft eigene Räume zur Selbstorganisierung. Ohne eigene Räume sei es schwer, sich zu organisieren.

Die Situation von Migrantinnen und Migranten in Chemnitz

Im IZDA soll Raum sein, um wichtige Themen zu diskutieren, welche die Communities beschäftigen. Dazu zählen etwa die Krisensituationen in verschiedenen Herkunftsländern sowie die rechte Gewalt in Chemnitz. Ebenso rückt der alltägliche Rassismus durch Behörden, Polizei und Zivilgesellschaft in den Fokus. "Die Bedingungen in den Geflüchtetenunterkünften sind ebenfalls von großer Besorgnis" berichtet Alina. Einige IZDA-Mitglieder haben selbst in den Heimen gelebt. "Wir fordern menschenwürdige Lebensbedingungen und eine umfassende Unterstützung für alle Geflüchteten, die in unserer Stadt Zuflucht suchen. Die Integration von Geflüchteten ist eine gemeinsame Verantwortung und wir setzen uns aktiv für eine Integrationspolitik ein, die auf Empathie, Unterstützung und Chancengleichheit basiert". Diese Themen seien von entscheidender Bedeutung für die Gestaltung einer gerechteren und inklusiveren Gesellschaft. Das Team des IZDA ist entschlossen, diese Herausforderungen anzugehen und sich für eine positive Veränderung in Chemnitz und darüber hinaus einzusetzen.

Lobby-Arbeit für migrantische Communities

Die Stimmen von Migrantinnen und Migranten zu Gehör zu bringen, gestalte sich schwierig, wenn es an entsprechenden Räumlichkeiten mangelt. "Viele Einwohnerinnen und Einwohner fühlen sich isoliert und haben Schwierigkeiten, Verbindungen zu anderen Gemeinschaften oder zu Personen mit Deutsch als Muttersprache zu knüpfen" berichtet Fatima. Es brauche eine zentrale Anlaufstelle, die sich über soziale Unterstützung hinaus auch auf außerparlamentarischer Ebene für die Belange von Migrantinnen und Migranten einsetzt. "Aus diesem Grund haben wir uns entschlossen, auf dem Sonnenberg einen konkreten sozialen Treffpunkt zu schaffen, der sich auf die demokratische Selbstorganisierung von Geflüchteten und Migrant*innen konzentriert" vollendet Alina. Das neue internationale Zentrum möchte Raum für die Teilhabe und gesellschaftliche Mitgestaltung der Nachbarschaft schaffen. Das Team möchte verschiedene migrantische Communities zusammen bringen und gemeinsam Probleme angehen. "Wir wissen - das wird eine große Herausforderung. Aber bis jetzt hat alles gut funktioniert!" sagt Fatima und beide Frauen lachen. Bis jetzt sind Mitglieder aus 12 verschiedenen Ländern und drei verschiedenen Kontinenten im IZDA organisiert.

Eine Initiative für Gemeinschaft im Viertel

"Wir haben nicht ohne Grund den Sonnenberg als Standort gewählt" erklärt Alina, als wir vor dem Eingang des IZDA stehen. Mit einladender Geste zeigt sie auf die umliegenden Häuser. "Viele Bewohnerinnen und Bewohner des Viertels sind sozial benachteiligt, haben schlecht bezahlte Jobs, können sich kein Auto leisten, haben kleine Wohnungen". Davon seien sowohl Deutsche, als auch Menschen mit Migrationsgeschichte betroffen. "Migrant*innen hingegen haben zusätzlich große soziale Herausforderungen zu bewältigen - von Sprachbarrieren bis hin zu körperlichen Angriffen durch Rechtsradikale". Bis 2016 wollten Neonazis der Gruppe "Rechtes Plenum" auf dem Sonnenberg einen Nazi-Kiez aufbauen. Nach einem umfangreichen Outing der rechtsradikalen Gruppe durch das Rechercheteam "Avocado" löste sich die rechte Gruppe auf und das Vorhaben scheiterte, den Sonnenberg zur No-Go-Area für Menschen, die nicht in das rechte Weltbild passen, zu machen. Alina lacht und zieht an ihrer Zigarette. "Besonders im Hinblick auf die rechte Geschichte des Sonnenbergs freuen wir uns, diesen Ort nun mit einem progressiven Projekt zu füllen". Auf dem Sonnenberg haben in den letzten Jahren immer mehr Läden geöffnet. Allein im nahen Umkreis des Zentrums befinden sich über zehn Läden und Restaurants, die Menschen mit Migrationsgeschichte gehören. Doch das IZDA richte sich an alle Bewohnerinnen und Bewohner des Stadtteils: "Wir wollen die Gemeinschaft auf dem Sonnenberg stärken. Unsere Angebote können allen Menschen hier zugute kommen und wir laden Alle ein, sich bei uns zu beteiligen" so Fatima Maged. Das IZDA möchte die Nachbarschaft aktivieren und gemeinsam nach Lösungen für anstehende Probleme suchen - seien es Konflikte im Haus, Stress mit dem Boss oder gesellschaftliche Probleme wie die Folgen der Inflation.

Ein Blick auf den Charakter des IZDA

Der Verein formuliert auf seiner Website vier wesentliche Charakterzüge, die das Fundament seiner Arbeit bilden und dessen Ziele definieren. Das IZDA versteht sich als gewerkschaftlich und möchte für die Verteidigung von Rechten und gegen jegliche Form von Ungerechtigkeit in verschiedenen Lebensbereichen wie Arbeit, Wohnen, Aufenthalt und Sozialleistungen eintreten. Außerdem trägt der Verein einen sozialen Charakter durch die Bestrebungen nach einer gerechteren und solidarischen Gesellschaft. "Wir streben nach sozialen Verbesserungen im Alltag und setzen uns aktiv gegen Armut, Gewalt und Diskriminierung ein. Unsere Verbündeten teilen unsere Vision einer Gesellschaft, die auf Solidarität und Zusammenhalt basiert", schreibt der Verein auf seiner Website. Das IZDA versteht sich weiterhin als politischer Akteur: "Wir sehen es als unsere Aufgabe, die zugrunde liegenden Ursachen gesellschaftlicher Probleme zu identifizieren und anzugehen". Schließlich betont der Verein einen kulturellen Charakter und setzt sich dafür ein, "eine demokratische und moralische Kultur zu fördern, die Vielfalt schätzt und Vorurteile abbaut". Diese vier Charakterzüge seien für IZDA die Grundlage für die tägliche Arbeit und das langfristige Engagement für eine bessere Zukunft.

Ein vielfältiges Programm: Sozial, kulturell und politisch

Das IZDA legt wert darauf, auch praktisch auf verschiedenen Ebenen zu arbeiten. So finden auf sozialer Ebene Beratungs- und Lernangebote statt und es werden Veranstaltungen zum Begegnen und Kennenlernen organisiert. Auf kultureller Ebene sind thematische Kulturabende geplant, wo Geschichte, Musik und Delikatessen aus verschiedenen Ländern präsentiert werden sollen. Nicht zuletzt sollen Vorträge, Diskussionen, Filmvorführungen und Vernetzungstreffen politische Bildung und Organisierung fördern. Ab März bietet das IZDA ein breites Spektrum an Veranstaltungen und Beratungsangeboten, das mit der Zeit ergänzt wird.

Eröffnung ist Startschuss für die ersten Angebote

Zu Beginn wird aller zwei Wochen eine Rechtsberatung durch Anwältinnen stattfinden, die in Form einer kostenlosen Erstberatung die Fragen der Betroffenen zu Strafrecht und Asylrecht beantworten. Weiterhin berät der SABS e.V. zwei Mal pro Woche Menschen ohne Krankenversicherung zu Fragen und Problemen rund um Gesundheit und Versicherungsschutz. In den ersten Wochen werden bereits außerdem ein wöchentliches Deutsch-Lerntreffen, die Internationale Küche und das öffentliche Frauen-Treffen stattfinden. Außerdem plant das Zentrum eine soziale und psychologische Beratung für Geflüchtete und Migrant*innen. Zusätzlich zu diesen regelmäßigen Veranstaltungen sind nach der Eingewöhnungsphase einmalige kulturelle und politische Events geplant, die vor allem an den Wochenenden stattfinden werden. Das aktuelle Programm des IZDA finden Sie auf Instagram und auf der Website.

Unterstützung und Mitwirkung

Das IZDA wird teilweise von der "Kreativachse Chemnitz" gefördert und strebt langfristig die unabhängige Finanzierung durch Fördermitglieder an. Interessierte können bereits ab 10€ monatlich Fördermitglied werden und das Projekt unterstützen. "Wir sind auf den Support unserer Freund*innen angewiesen, um die Miete zu zahlen und das IZDA am Leben zu erhalten" erklärt Fatima. Außerdem kann an den gemeinnützigen Verein auch einmalig gespendet werden.

Wie man auf dem Laufenden bleibt

Für Neuigkeiten und Updates könnt ihr dem IZDA auf Instagram und Facebook oder ihre Website für weitere Informationen und Möglichkeiten zur Unterstützung besuchen. Ansonsten könnt ihr bei der Eröffnung am 3. März zwischen Live-Musik und dem selbstgemachten Buffet einen Einblick verschaffen.

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