Unverwüstliche Unterhaltung

"Furiosa: A Mad Max Saga" Eine "Mad Max Saga" ohne Mad Max erzählt Filmemacher George Miller im neuesten Teil seiner ikonischen Endzeitreihe. Die Bühne gehört ganz der unerschrockenen Furiosa, deren Vorgeschichte in einem abermals irrwitzig spektakulären Leinwandritt im Mittelpunkt steht.

Dass George Millers "Mad Max" aus dem Jahr 1979 zu den Klassikern des Endzeitkinos gehört, zeigt schon ein Blick auf das, was anschließend passierte. Zahlreiche Filmemacher orientierten sich an seiner Motivik und Ästhetik, brachten Werke hervor, in denen Millers Einfluss mit Händen zu greifen ist. Skurrile Kostüme und bizarr aufgemotzte Fahrzeuge, wie sie der Australier mit seinen kreativen Mitstreitern erdachte, sind bis heute fester Bestandteil dystopischer Leinwandfiktionen. Die deutsche Netflix-Serie "Tribes of Europa" (2021) etwa atmet unverkennbar "Mad Max"-Geist.

So ikonisch der erste Film der postapokalyptischen Leinwandreihe und ihre Titelfigur auch sein mögen, war nach dem dritten Teil "Mad Max - Jenseits der Donnerkuppel" (1985) erst einmal Schluss. 2015, 30 Jahre und viele Budgetkämpfe später, legte George Miller mit "Mad Max: Fury Road" doch noch ein viertes Kapitel vor, das es wahrlich in sich hatte. Selten wurde im Kino der jüngeren Vergangenheit ein derart hochtouriges Actionfeuerwerk abgebrannt. Der Film entfacht von Minute eins an eine unglaubliche Dynamik und hält diese bis zum Finale durch.

Mit der von Charlize Theron verkörperten einarmigen Überlebenskämpferin Imperator Furiosa führte Miller zudem eine neue Protagonistin in die Saga ein und öffnete diese für weibliches Emanzipationsstreben. Der in Cannes uraufgeführte fünfte Reihenbeitrag "Furiosa: A Mad Max Saga" knüpft daran an beziehungsweise springt in der Zeit zurück, um in die Vorgeschichte dieser vom Schicksal nicht gerade verwöhnten Figur einzutauchen. Mad Max selbst spielt, da sich die beiden in "Mad Max: Fury Road" erst kennenlernten, im Prequel keine Rolle.

Nicht permanent am Anschlag

Die Handlung setzt kurz nach dem Zusammenbruch aller zivilisatorischen Strukturen ein. Mitten im Ödland Australiens gibt es noch ein fruchtbares Fleckchen Erde, einen grünen Ort, an dem die kleine Furiosa (Alyla Browne) Pfirsiche von Bäumen pflücken kann. Mit der paradiesischen Herrlichkeit ist es allerdings vorbei, als sie eines Tages von der Bikerhorde um den durchgeknallten Dementus (Chris Hemsworth) gekidnappt wird. Bei der Suche nach ihrer Tochter verliert Furiosas Mutter (Charlee Fraser) auf denkbar grausame Weise ihr Leben, und in Händen der Motorradmeute gelangt das Mädchen schließlich in die Zitadelle, jene künstliche Oase aus "Mad Max: Fury Road", in der der Tyrann Immortan Joe (Lachy Hulme ersetzt den mittlerweile verstorbenen Hugh Keays-Byrne) das Sagen hat.

Wenn Alphatiere aufeinanderprallen, ist Ärger programmiert, auch in diesem Fall. Dementus will die Macht in der Zitadelle an sich reißen, muss sich jedoch vorerst mit einem Deal abfinden und reicht Furiosa an Immortan Joe weiter. In dessen fragwürdiger Obhut kann sie sich einer Bestimmung als Gebärmaschine entziehen. Jahre später, das Mädchen ist inzwischen erwachsen geworden und wird nun von Anya Taylor-Joy ("Das Damengambit") gespielt, wartet Furiosa auf ihre Chance, zu fliehen und in ihre Heimat zurückzukehren. Den brutalen Mord an ihrer Mutter hat sie natürlich nicht vergessen.

Vergleicht man "Furiosa: A Mad Max Saga" mit dem vierten Film der Reihe, fällt vor allem eines auf: George Miller baut diesmal etwas mehr Verschnaufpausen ein, zelebriert keine Nonstop-Hatz durch das schier endlose Ödland. Was allerdings nicht heißt, dass Actionfans in die Röhre schauen müssten. Auch das neue Abenteuer bietet explosive, wahnwitzige Stunts in rauen Mengen, lässt aufgemotzte Fahrzeuge reihenweise ineinander krachen, erfüllt den Kinosaal mit gewaltiger Energie. Stärker als in "Mad Max: Fury Road" greift der Regisseur dabei auf Unterstützung aus dem Computer zurück. Hier und da stechen die digitalen Elemente deutlicher ins Auge. Ein arg künstlicher Spektakelbrei wie in so vielen Blockbustern der Gegenwart bleibt dem Publikum aber erspart.

Anya Taylor-Joy liefert ab

Einmal mehr erweist sich die zum Teil in sattem, fast surrealem Orange erstrahlende Wüste als höchst stimmungsvoller Schauplatz für große, einprägsame Bilder. Millers dystopische Saga begann 1979 als schmutziges B-Movie, strahlt noch immer eine rohe Kraft aus, hat ästhetisch aber einen großen Sprung gemacht. Unverändert exzentrisch und seltsam faszinierend sind die Maskeraden vieler der abgebrannten, ihrer Hoffnungen beraubten Charaktere. Neben dem schon bekannten Look des unter einem gruseligen Atemgerät steckenden Immortan Joe sticht vor allem die schräge Aufmachung von Dementus hervor. Marvel-Star Chris Hemsworth, dem eine fette falsche Nase im Gesicht prangt, kostet seine betont überkandidelte Rolle, eine Mischung aus Messias, Rasputin-Verschnitt und römischem Feldherrn, lustvoll aus.

"Furiosa: A Mad Max Saga" bringt inhaltlich etwas mehr auf den Tisch als der Vorgänger und gönnt sich zwei, drei überraschende Wendungen, etwa einen verhältnismäßig intimen Showdown. Die meiste Zeit bewegt sich der Film indes im vertrauten Endzeitrahmen und versucht, mit behaupteter Tiefgründigkeit zu punkten. Magnetisches Zentrum des Geschehens ist die vollkommen zurecht gehypte Anya Taylor-Joy, die erst nach rund einer Stunde die Leinwand betritt. Als zähe, einfallsreiche Actionheldin kann sie ihrer Wegbereiterin Charlize Theron durchaus das Wasser reichen.

Dennoch stellt sich eine paradoxe Situation ein: Trotz Taylor-Joys Leistung, der klaren Empowerment-Botschaft und einer beißend-symbolträchtigen letzten Pointe reißt Furiosas persönliche Geschichte nicht so sehr mit, wie sie es eigentlich sollte. Den Raum eines als Origin-Story gedachten Prequels hätte man wahrscheinlich noch besser nutzen können. Der Entwicklungsbogen dieser furiosen Heldin wirkt jedenfalls nicht ganz ausgefeilt.

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