Deutsche Hoffnung: Gewinnt Sandra Hüller einen Oscar?

Nominierung als beste Hauptdarstellerin Die Karriere von Schauspielerin Sandra Hüller hat atemberaubende Züge angenommen: Sie gewann 2023 für "Anatomie eines Falls" unter anderem den Europäischen Filmpreis. Jetzt ist sie als beste Hauptdarstellerin für den Oscar nominiert.

Sie ist der Star der Stunde: Sandra Hüller (45) erhielt im Dezember sowohl den Europäischen Filmpreis als auch die Auszeichnung der Kritiker der "Los Angeles Film Critics Association" für ihre Hauptrolle im Justizdrama "Anatomie eines Falls". Und das muss noch nicht alles gewesen sein: Bei den Golden Globe Awards ging die deutsche Schauspielerin zwar leer aus, dafür hat sie am 10. März die Chance, den Oscar als beste Hauptdarstellerin einzuheimsen.

Fast hätte sie die Bekanntgabe ihrer eigenen Oscar-Nominierung verpasst, gestand sie in der US-Late-Night von Jimmy Kimmel. "Ich hatte wirklich viel Müll zu entsorgen", erinnerte sich die 45-Jährige. "Ich kam buchstäblich in der Minute zurück, in der es losging." "Wie schlimm muss Ihr Müll gewesen sein?", fragte der Moderator pikiert. Hüller geriet daraufhin ins Stottern und begründete die Dringlichkeit mit "viel Papierkram und dem, was sich eben so an Müll im Haus ansammelt". Auf Kimmels Frage, ob sie ein sehr ordentlicher Mensch sei, senkte der Hollywoodstar gespielt verlegen den Kopf und gestand: "Manche sagen so, manche sagen so."

Einig sind sich hingegen die Kritiker, was Hüllers schauspielerische Leistungen angeht: Viele halten sie nicht erst seit ihren jüngsten Leistungen für eine, wenn nicht die beste deutsche Schauspielerin ihrer Generation. Ohnehin ist sie überhaupt erst die dritte deutsche Schauspielerin, die als beste Hauptdarstellerin bei den Oscars nominiert ist - nach Marlene Dietrich und Luise Rainer, die die Trophäe sogar zweimal (1936 und 1937) gewann.

Sandra Hüller: Ihre erste große Liebe war das Theater

Sandra Hüller, Pädagogentochter aus Suhl, spürte früh die Schauspiellust in sich. Schon in der Schule buchte sie Theaterkurse und Workshops. Nach dem Abitur im thüringischen Friedrichroda studierte sie von 1996 bis 2000 an der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" Berlin. Danach wirkte sie in Theaterensembles in Jena, Leipzig, Basel, München und Bochum. Gastspiele führten sie nach Berlin, Zürich und Freiburg und auch zu den Salzburger Festspielen. Ihrer Liebe, dem Theater, blieb sie auch treu, als sie (ab 1999) erste kleine Filmrollen übernahm. Noch heute ist sie Ensemblemitglied am Schauspielhaus Bochum, ihrem zweiten Wohnsitz neben Leipzig, wo sie mit Lebensgefährte und Tochter lebt.

Das Kino entdeckte sie 2006: Für ihre insgesamt erst fünfte Filmarbeit, die Hauptrolle in "Requiem", wurde sie für ihre Darstellung einer an Epilepsie erkrankten jungen Frau mit den Bayerischen und dem Deutschen Filmpreis sowie dem Silbernen Bären der Berlinale ausgezeichnet. Kritikerlob und Festivalpreise gab es auch für "Über uns das All" (2011).

2017 sammelte Hüller erstmals Oscar-Erfahrung. Das Drama "Toni Erdmann", in dem sie die weibliche Hauptrolle spielt, war als bester ausländischer Film nominiert. Zwar gab es keine Auszeichnung für den Film, für Hüller regnete es dafür Lob und Auszeichnungen für ihre Leistung. Sie schaffte den "Hattrick" und gewann den Bayerischen, Deutschen und Europäischen Filmpreis. Im selben Jahr erhielt sie eine besondere Ehrung: Sie wurde für ihre schauspielerischen Leistungen sogar in die Berliner Akademie der Künste aufgenommen, was für Kunstschaffende einem Ritterschlag gleichkommt.

Sandra Hüller: 2023 mit zwei Filmen international erfolgreich

Obwohl sie danach in populären Produktionen wie "Fack Ju Göhte 3" (2017) und "25 km/h" (2018) und dem viel gelobten "Proxima - Die Astronautin" (2019) mitwirkte, wurde es danach etwas stiller um sie. Bis sie nun mit gleich mehreren Filmen ins Rampenlicht zurückkehrte. 2023 war Hüller zunächst in der schwarzen Komödie "Sisi & ich" zu sehen, bevor sie mit ihren Hauptrollen in den internationalen Produktionen "The Zone Of Interest" und "Anatomie eines Falls" für Furore sorgte.

In "In The Zone" agiert sie als Hedwig, Ehefrau des Lagerkommandanten des KZ Auschwitz, Rudolf Höss. Der Film geht für Großbritannien für den "Auslandsoscar" 2024 ins Rennen und wurde bei den Filmfestspielen von Cannes 2023 mit dem "Großen Preis der Jury" geehrt, der zweitwichtigsten Auszeichnung.

Der wichtigste Preis, die "Goldene Palme", ging in Cannes an "Anatomie eines Falls" - und auch in dieser Produktion spielt Sandra Hüller die weibliche Hauptrolle: In dem französischen Drama verkörpert sie die Romanautorin Sandra, die in Verdacht gerät, ihren Ehemann ermordet zu haben. Für ihr eindringliches Spiel wurde Hüller mit ihrem zweiten Europäischen Filmpreis, der Nominierung für einen Golden Globe und einen Oscar belohnt.

Sandra Hüller: Gewinnt sie den Oscar?

Die Konkurrenz ist allerdings groß, als Nominierte in der Kategorie "Beste Hauptdarstellerin" ist sie in illustrer Gesellschaft. Als weitere Favoritinnen gelten Lily Gladstone (37, "Killers of the Flower Moon"), die für den Western mit Robert de Niro und Leonardo DiCaprio bereits mit dem New York Film Critics Circle Award und dem Golden Globe ausgezeichnet wurde. Und auch Oscar-Preisträgerin Emma Stone (35, "Poor Things") überzeugte in der absurden Komödie die Kritiker, auch sie erhielt bereits den Golden Globe für ihre Darstellung.

Falls Hüller nicht gewinnt, wird sie aber womöglich nicht wirklich trauern. Denn, wie sie kürzlich in einem Exklusiv-Interview der "New York Times" gestand, Hüller will den ganzen Rummel, den ganzen Ruhm ohnehin nicht. Sie fürchtet um ihre Anonymität. "Ich mag mein Leben. Ich mag meine Wohnung. Ich mag meinen Alltag. Mir fehlt nichts, was ich irgendwie ersetzen müsste. Ich habe nicht darauf gewartet, dass das passiert", berichtete Hüller der "New York Times". Sie versuche noch immer, sich damit abzufinden, daran zu gewöhnen. "Es bedeutet, in einen Kreis von Menschen aufgenommen zu werden, zu dem ich vorher nicht gehörte. Und dass die Leute jetzt glauben, dass ich Dinge tun kann, von denen sie vielleicht vorher nicht geglaubt haben, dass ich sie tun könnte."

Wie Sandra Hüller letztlich mit der Herausforderung der Bekanntheit umgehen wird, kann nur die Zukunft zeigen. Die wird, was die Karriere angeht, so oder so schwungvoll werden. Seit der Oscar-Nominierung trudelten die Drehbücher reihenweise bei ihr ein, gab sie zu. Sie lese viel, sagte sie, und: "Es werden weitere interessante Dinge kommen."

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