Felicitas Woll: "Das Wort Gleichberechtigung ist für mich immer ein bisschen schwierig"

Im Interview zu "Neuer Wind im Alten Land" und "Blindspot" Als beruflich gescheiterte Journalistin kehrt Felicitas Woll in "Neuer Wind im Alten Land" zurück nach Hause. Als Frankfurter Karrierefrau sorgt sie sich in "Blindspot" (beides ZDF) um den Geisteszustand eines Kollegen. Im Interview spricht die 44-Jährige über Heimat, Gleichberechtigung und Genre-Experimente im Fernsehen.

Felicitas Wolls Fans kommen aktuell voll auf ihre Kosten: Gleich dreimal in einer Woche ist die sympathische Schauspielerin ("Berlin, Berlin", "Der Taunuskrimi") im ZDF zu sehen. In der neuen Wohlfühl-Reihe "Neuer Wind im Alten Land" (zwei Filme am Sonntag, 21. April, und Sonntag, 28. April, jeweils 20.15 Uhr) spielt Woll die ehemalige Star-Journalistin Beke Rieper, die nach einem beruflichen Fehler gezwungenermaßen wieder bei den Eltern einzieht und einen Job beim heimischen Lokalblatt annimmt. Im Großstadt-Thriller "Blindspot" (Montag, 22. April, 20.15 Uhr) wiederum muss sie als karrierebewusste Geschäftsfrau mit ihrem zunehmend paranoiden Geschäftspartner zurechtkommen. Ob sie privat eher das Land- oder das Großstadtleben präferiert, verrät die gebürtige Hombergerin im Interview. Auch beantwortet Felicitas Woll, die Frage, ob sie nach dem zweiten Platz bei "The Masked Singer" (2023) künftig als Sängerin durchstarten will.

teleschau: In "Neuer Wind im Alten Land" spielen Sie eine Journalistin. Wäre das auch ein alternativer Beruf für Sie gewesen?

Felicitas Woll: (lacht) Zumindest was das Geschichten-Schreiben angeht. Also hinter einen Menschen zu gucken: Was ist da los? Welche Geheimnisse hat er oder sie? Oder was hat die Welt noch nicht gehört oder gesehen? Also eher im menschlich-privaten Bereich. Politikjournalismus wäre mir zu anstrengend.

teleschau: Haben Sie schon einmal an Ihrer Berufswahl gezweifelt?

Woll: Klar. Wer hat das nicht? Man kommt immer mal wieder an den Punkt, wo man sagt: Oh Gott, ist das alles richtig? Vor allem in der Anfangsphase, wenn man den Schauspielberuf hineinstolpert und kein Diplom hat. Dann kann es sein, dass Leute kommen und fragen: "Was machst du denn da? Was, eine Atemübung? Ach Gott, du hast das doch gar nicht studiert!" Das habe ich alles schon erlebt und mir auch oft gedacht: "Oh Gott, ich geh am besten wieder nach Hause!" Man wird dadurch auch nur stärker, und man muss auch durch die eigenen Selbstzweifel durch. Wichtig ist, dass man immer zu sich selbst steht und sich sagt: "Das ist alles in Ordnung. Mach mal weiter so!"

"Das Gefühl von Heimat ist irgendwie immer da"

teleschau: Nach einem beruflichen Fehler muss Beke wieder zurück in ihre Heimat auf dem Land ziehen. Könnten Sie sich vorstellen, als Erwachsene wieder bei Ihren Eltern einzuziehen?

Woll: Das ist immer mal wieder passiert. Wenn es einem, wie bei ihr, den Boden unter den Füßen wegreißt, ist das natürlich nicht so einfach. Aber bevor du unter der Brücke landest, gehst du dann wahrscheinlich doch lieber nach Hause. Ich kenne auch sehr viele Leute, die irgendwann wieder zu Hause eingezogen sind und sich dann wieder neu orientiert haben.

teleschau: Wie hat sich Ihr Blick auf Ihren Heimatort Homberg seit Ihrem Wegzug verändert?

Woll: Ich glaube, das Gefühl von Heimat ist irgendwie immer da. Was heißt auch Heimat? Heimat heißt ja nicht, dass ich mich in dieser einen Straße, in der ich früher als Kind immer Rollerblades gefahren bin, sofort wieder heimisch fühle. Stattdessen bin ich zunehmend davon überzeugt, dass das Gefühl von Heimat mit einem Ort verbunden ist, an dem du zur Ruhe kommst und dich fallen lassen kannst. Letztendlich gibt es auch bei meinen Eltern zu Hause immer irgendwelche Trouble-Erinnerungen oder irgendwelche Dinge, die mir nicht gefallen haben. Deswegen ist das wirkliche Gefühl von Heimat immer nur das, was du in dir selber trägst.

teleschau: Was meinen Sie?

Woll: Wenn du in dir selber deine Ruhe und deinen Frieden gefunden hast, in dieser Welt voller Ablenkungen, in der wir alle leben, wo es schon schwer genug ist, dann kannst du anfangen zu sagen, dass du deine Heimat gefunden hast. Denn deine traurigen und schönen Erfahrungen nimmst du überall mit hin.

"Ich habe gelernt, aus dem Koffer zu leben"

teleschau: Verstärkt Ihr Beruf dieses Gefühl, überall zu Hause zu sein, vielleicht auch ein wenig?

Woll: Mit Sicherheit! Auf jeden Fall habe ich gelernt, aus dem Koffer zu leben und alles dabei zu haben, was ich brauche. Und gleichzeitig auch zu lernen: Ich brauche ja gar nicht mehr als diesen Koffer! Wenn ich mit meinen Kindern verreise, ist das natürlich etwas anderes.

teleschau: Wenn Sie sich entscheiden müssten: Würden Sie lieber in der Stadt oder auf dem Land leben?

Woll: Immer irgendwo in der Mitte: also so, dass ich immer schnell in die Stadt komme. Zu dörflich darf es auch nicht sein. (lacht)

teleschau: Die Dreharbeiten fanden im Alten Land statt. Kannten Sie die Region vorher?

Woll: Nee, ich kannte es vorher nicht, zumindest nicht so intensiv. Ich habe die Region während der Dreharbeiten langsam erschlossen: gerade Buxtehude und wie die kleinen Städte da alle heißen. Es war echt schön, dort eine Weile zu bleiben und sich auch die Arbeit auf den Obstplantagen anzugucken. Solche Familienbetriebe sind schon stark und verbindend.

teleschau: Mit Ihrer Filmschwester Heide scheinen Sie als Beke im dauerhaften Konkurrenzkampf zu stehen. Wie war das in Ihrer Kindheit mit Ihren sechs Geschwistern?

Woll: Das kenne ich von zu Hause eher nicht. Ich bin die Älteste und war früh aus dem Elternhaus draußen und habe meinen eigenen Weg bestritten.

Über Genre-Vorlieben

teleschau: Neben "Neuer Wind im Alten Land" sind Sie demnächst auch im ZDF-Thriller "Blindspot" zu sehen. Die beiden Filme könnten unterschiedlicher nicht sein: Welchen würden Sie als Zuschauerin bevorzugen?

Woll: Das kann ich so nicht sagen. Das hängt ganz von meiner jeweiligen Tagesform ab. Wenn ich mich gut fühle und die Sonne scheint, dann schaue ich mir natürlich "Neuer Wind im Alten Land" an. Und wenn ich morgens aufstehe und mir denke: "Mann ey, was kann ich denn heute alles anpacken?", dann guck ich mir "Blindspot" an (lacht). Insofern ist bei den neuen Filmen für jede Stimmung was dabei: der eine ist ein bisschen heller und der andere ein bisschen dunkler. Wie bei Ying und Yang ist es eine gewisse Symbiose.

teleschau: Sie haben also kein privates Lieblingsgenre?

Woll: Nein, wirklich nicht. Manchmal habe ich Lust auf was Historisches und sage mir: "Okay, dann guck ich 'Vikings' oder fange 'Outlander' nochmal von vorne an." Da träumt man sich dann so weg und fragt sich: "Wo ist der Stein, der mich ins 18. Jahrhundert bringt?" Ich liebe aber auch True Crime. Wahrscheinlich hatte ich dieser Vorliebe schon immer, vielleicht habe ich sie aber auch durch den "Taunus-Krimi" entwickelt. Manchmal schaue ich aber auch romantische Komödien, kurz gesagt: Ich bin nicht festgelegt. Das gilt auch für Musik.

"Das Risiko wagen dann doch eher die Streaming-Dienste"

teleschau: Gibt es ein Genre, das Sie als Schauspielerin gerne einmal ausprobieren wollen?

Woll: Ich konnte, Gott sei Dank, schon einige Genres ausprobieren und stecke in keiner Schublade fest. Aber historische Erzählungen sind schon was, das ich sehr lieb habe. Ich mag tiefgründige und wendungsreiche Geschichten. Horror ist allerdings gar nichts für mich.

teleschau: Dann trifft "Blindspot" mit seiner undurchsichtigen Geschichte ja genau Ihren Geschmack ...

Woll: Als ich das Drehbuch gelesen habe, war ich sofort Feuer und Flamme dafür. Denn es ist immer wieder schön, solche Schätze auf den Tisch zu bekommen, die du dann liest und weißt: Da können wir beim Spielen richtig die Sau rauslassen! (lacht)

teleschau: Haben Sie das Gefühl, dass das deutsche Fernsehen sich in letzter Zeit zunehmend auch mal was traut?

Woll: Es stimmt, dass man beim Fernsehen wieder mehr Möglichkeiten bekommt, sich mit ungewöhnlichen Geschichten auszutoben. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass wir oft lieber auf Nummer sicher fahren. Das Risiko wagen dann doch eher die Streaming-Dienste. Aber trotzdem gibt es auch beim Fernsehen immer wieder Drehbücher, die unerwartet ausfallen und dann auch erfolgreich sind.

"Im Grunde entwickelt sich die Gleichstellung der Frau in Wellen"

teleschau: Ihre Figur Saskia schwankt in "Blindspot" im Spannungsfeld, eine fürsorgliche Mutter und gleichzeitig eine erfolgreiche Karrierefrau zu sein. Wie meistern Sie den Spagat zwischen Familie und Beruf?

Woll: Ich finde es fies, dass man diese Frage immer den Frauen stellt. Ich glaube, ich spreche jeder Frau aus jedem Berufsfeld aus der Seele, wenn ich sage, dass es nicht einfach ist, dass wir alle unter Druck stehen. Das Wort Gleichberechtigung ist für mich immer ein bisschen schwierig. Dennoch wünsche ich mir, dass wir den Respekt bekommen, den wir auch verdienen. Dafür, dass wir auf der Welt für Nachwuchs sorgen und trotzdem auch noch gucken, dass wir ein zu Hause haben.

teleschau: Haben Sie als berufstätige Mutter manchmal Zweifel?

Woll: Klar, stehe ich immer wieder vor der Frage: Mache ich das jetzt richtig? Habe ich jetzt genug Aufmerksamkeit für die Kinder? Habe ich jetzt genug Aufmerksamkeit für mich? Darf ich mir jetzt auch mal Zeit für mich nehmen? Das sind Fragen, die wir uns alle ständig stellen müssen, und die auch sehr viel mit uns machen. Aber es funktioniert ja, weil wir stark sind und wissen: Wir kriegen es schon irgendwie hin! Aber wenn man als Frau und Mutter und noch in einem Beruf mehr Respekt bekommen würde, wäre das schon gut. Leider gibt es bei der Bezahlung noch immer das Ungleichgewicht, dass Männer teilweise 20 Prozent mehr Gehalt bekommen als Frauen, die die gleiche Arbeit machen.

teleschau: Haben Sie Hoffnung, dass sich da in den nächsten Jahren groß etwas daran ändert?

Woll: Nein, um diese Fragen werden wir uns auch in 100 Jahren noch drehen, weil wir immer nur darüber reden, aber neue Ansätze nicht umsetzen. Vor allem wir Frauen sprechen über die Themen, wir posten, dass Weltfrauentag ist, wir sprechen über #MeToo, und das werden wir auch in 100 Jahren noch tun. Dennoch möchte ich die Hoffnung nicht aufgeben. Denn im Grunde entwickelt sich die Gleichstellung der Frau in Wellen: In den 1920er-Jahren waren die Frauen auch mal wesentlich selbstbewusster, haben gemacht und getan, dann kam wieder eine Zeit, in der wir hinterm Herd standen und gar nichts mehr machen durften. Da mussten wir sogar fragen, ob wir Auto fahren dürfen. Jetzt sind wir wieder relativ offen, doch jetzt kommt die Frage auch wieder auf ...

teleschau: Zum Abschluss eine ganz andere Frage: Bei "The Masked Singer" traten Sie vergangenes Jahr als Igel an. Auch am Soundtrack zu Ihrem letzten Kinofilm "Die unlangweiligste Schule der Welt" wirkten Sie als Sängerin mit. Wird man künftig mehr von der musikalischen Felicitas Woll hören?

Woll: Ich werde ab jetzt Popsängerin! (lacht) Ganz ehrlich: In mir ist da was geweckt worden. Der Igel ist für mich immer noch das größte, größte Glück. Er hat mir so viel gegeben! Das kann ich gar nicht beschreiben, was das in mir ausgelöst hat. Ich bin leider immer noch zu gehemmt, um zu sagen: "Ey, ich mach das jetzt einfach!" Aber ich weiß: Irgendwann kommt das richtige Angebot zur richtigen Zeit!

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