Guido Cantz im Interview: "Ich habe dem Kölner Karneval sehr viel zu verdanken"

Am Rosenmontag im Dauereinsatz Er ist Comedian, Moderator - und Karneval-Urgestein aus Leidenschaft: Guido Cantz steht in der fünften Jahreszeit nicht nur regelmäßig in der Bütt, er kommentiert seit 2015 auch den Kölner Rosenmontagszug im Fernsehen. Wie begleitet man das närrische Treiben auch in Krisenzeiten angemessen?

Wenn sich die fünfte Jahreszeit ihrem Höhepunkt nähert, ist einer immer mittendrin: Guido Cantz begeisterte sich schon früh für den Karneval in seiner Heimatstadt Köln - und stand folgerichtig mit Anfang 20 auch bald selbst auf der Bühne. Bis zu 250 Auftritte pro Session absolvierte der platinblonde Comedian zum Beginn seiner Karriere, die in der Bütt ihren Anfang nahm. Selbst als Cantz' Laufbahn mit zahlreichen Fernsehauftritten und eigenen Shows wie "Verstehen Sie Spaß?" Fahrt aufnahm, blieb der Karneval ein gewichtiger Teil seines humoresken Lebens. Seit 2015 kommentiert der Moderator, der ab diesem Jahr auch die Neuauflage von "Glücksrad" (RTLZWEI) präsentiert, den Kölner Rosenmontagsumzug im WDR-Fernsehen. So auch in dieser Saison: Ab 9.30 Uhr begleitet Cantz das närrische Treiben live im TV - unterstützt von seiner neuen Co-Moderatorin Sabine Heinrich. Abends ist der passionierte Büttenredner auch auf der Bühne zu sehen, wenn das Erste ab 20.15 Uhr die Kölner Fernsehsitzung überträgt. Was ihm der Karneval bedeutet, welche Funktion das Ausbrechen aus dem Alltag erfüllt und wie man dem jecken Geschehen auch in Krisen- und Kriegszeiten wie diesen angemessen beikommt, erklärt Cantz im Interview.

teleschau: Was bedeutet der Karneval - und insbesondere der Kölner Karneval - Ihnen persönlich?

Guido Cantz: Der Karneval war der Startschuss meiner Karriere. Der Kölner Karneval ist aus meiner Erfahrung das beste Trainingslager für jegliche Arbeit auf der Bühne und vor der Kamera. Karneval ist ein Gefühl - in Köln ein Lebensgefühl. Ich feiere schon seit meiner Kindheit, und den organisierten Karneval habe ich im Alter von 14 Jahren durch meinen Vater kennengelernt. Er war Schatzmeister der Blau-Wiesse Funke Wahn.

teleschau: Würden Sie also sagen, Sie haben dem Karneval Ihre Karriere zu verdanken?

Cantz: Natürlich! Ohne den Kölner Karneval hätte ich meinen ersten Fernsehvertrag nicht bekommen. Der Karneval begleitet mich und meine Karriere nun schon seit 32 Jahren. Ich habe dem Kölner Karneval sehr viel zu verdanken!

"Marianne und Michael 3.0"

teleschau: Wenn Sie einem Außerirdischen erklären müssten, was Karneval eigentlich ist - was würden Sie sagen?

Cantz: Karneval zu erklären ist schwer. Man muss ihn erleben. Karneval ist pure Lebensfreude im Kostüm. Jeder kann sein, wer oder was er möchte. Hier feiert jeder mit jedem.

teleschau: Worauf freuen Sie sich denn in jeder Karnevalssaison am meisten?

Cantz: Weiberfastnacht ist der schönste Tag des Jahres - und auf Platz zwei folgt sofort Rosenmontag.

teleschau: Wie gehen Sie das Kommentieren des Rosenmontagszugs an: Lassen Sie sich gern auch vom Geschehen überraschen - oder wissen Sie lieber, was auf Sie zukommt?

Cantz: Sowohl als auch! Ich bin ein sehr spontaner Mensch und lasse mich gerne überraschen. Aber natürlich bereite ich mich auf den Kölner Rosenmontagszug gut vor und mache meine Hausaufgaben. Das Geheimnis liegt wahrscheinlich genau in der Mitte.

teleschau: Kann der Karneval im Fernsehen überhaupt das Live-Erlebnis vor Ort einfangen - und wie können Sie dazu beitragen, das Spektakel zu vermitteln?

Cantz: "Live ist und bleibt live." Aber wir versuchen jedes Jahr unser Bestes, den Kölner Rosenmontagszug so gut und nah wie möglich nach Hause zu bringen. Ab und zu öffnen wir das Fenster unserer Kommentatoren-Kabine, das erhöht das Live-Erlebnis für die Zuschauer - aber für uns auch die Gefahr, von Wurfmaterial getroffen zu werden.

teleschau: In diesem Jahr bekommen Sie mit Sabine Heinrich eine neue - aber sehr karnevalserfahrene - Kollegin an die Seite gestellt. Wie stellt man sich als Duo aufeinander ein? Muss man in gewisser Weise proben?

Cantz: Nein, wir beide haben gar keine Zeit zu proben. Sabine und ich sind karnevalsjeck und freuen uns jetzt schon auf Rosenmontag. Vergleichbar mit kleinen Kindern, die auf Heiligabend warten. Wir Zwei mögen uns - das ist die beste Voraussetzung für eine erfolgreiche Doppelmoderation - "Marianne und Michael 3.0".

"Es ist wichtig, Haltung zu zeigen"

teleschau: Ist es in politisch und gesellschaftlich angespannten Zeiten wie diesen schwieriger, den richtigen Ton im Karneval zu finden?

Cantz: Die Arbeit als Komiker wird bestimmt nicht einfacher, aber es ist wichtig, Haltung zu zeigen. Wobei meine erste Aufgabe ist, Menschen zum Lachen zu bringen. Den richtigen Ton werden wir an Rosenmontag treffen, aber in sechs Stunden Live-Moderation ist sicher nicht jedes Wort druckreif.

teleschau: Wie ist es allgemein mit Humor und Frohsinn in Zeiten von Kriegen und Krisen: Wo muss man vorsichtig sein, welche Tabus und Grenzen setzen Sie sich vielleicht selbst?

Cantz: Ich versuche, unterhaltsam, lustig und kritisch zu sein. Ich möchte niemanden verletzen, aber Humor bleibt nun mal auch Geschmackssache. Darf man in diesen Zeiten von Krieg, Terror und den unterschiedlichsten Krisen Menschen mit Humor zum Lachen bringen? Ich bin mir ganz sicher - Ja! An dieser Stelle möchte ich den großen deutschen Kabarettisten Werner Finck zitieren: "An dem Punkt, wo der Spaß aufhört, beginnt der Humor." Und wenn das stimmen sollte, können wir ganz viel Humor in diesen Zeiten gebrauchen.

teleschau: Oft spricht man heute von einer gespaltenen Gesellschaft. Haben Karneval, Fasching und Co. das Potenzial, die Menschen trotz gegensätzlicher Meinungen wieder zusammenzubringen?

Cantz: Auf jeden Fall! Karneval verbindet Menschen. Egal, wo du herkommst, welchen kulturellen Hintergrund du mitbringst und welchen Bildungsstand du hast. Wir feiern zusammen! Der Karneval ist bunt und friedlich.

teleschau: Welche Funktion kann die Tradition des Karnevals angesichts der allgegenwärtigen Anspannung erfüllen?

Cantz: Traditionen und damit auch närrische Traditionen geben Menschen einen Halt. Das Vakuum, welches zum Beispiel die Kirche hinterlässt, wird durch andere gruppendynamische Bewegungen wie Karneval und Fußball kompensiert. Karneval ist ein Ventil und gibt uns die Möglichkeit, ein wenig Abstand vom Alltag zu bekommen.

teleschau: Müssen Sie als Entertainer in den vergangenen Jahren eigentlich vermehrt mit Anfeindungen rechnen?

Cantz: Ja, aber ich versuche das auszublenden. Eine Schere im Kopf macht den nächsten Text garantiert nicht besser. Jeder Shitstorm motiviert mich umso mehr.

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