Hannah Emde: "Wir haben eine Chance, das Ruder herumzureißen, aber wir müssen jetzt anpacken"

Neue "Terra X"-Moderatorin im Interview Als Wildtierärztin und Artenschützerin war Hannah Emde auf der ganzen Welt unterwegs. Nun macht die 32-Jährige einen Abstecher ins ZDF - und zwar als neue "Terra X"-Moderatorin für die populäre Reihe "Faszination Erde". Im Interview steht Hannah Emde Rede und Antwort: Wie blickt sie auf das Artensterben und die Klimakrise?

Sei es als Wildtierärztin, Artenschützerin oder Gründerin ihres gemeinnützigen Vereins "Nepada Wildlife e.V.": Hannah Emde ist engagiert in dem, was sie tut. Und sie glaubt an das, was sie tut. "Diese Faszination für Tiere, die hatte ich schon immer", erklärt die 32-Jährige im Interview, "es ist Wahnsinn, was die Natur uns alles gibt." So wird einmal mehr deutlich, warum sie ideal zu "Terra X" passt, wo sie zukünftig die Reihe "Faszination Erde" (Start: 7. April, 19.30 Uhr, ZDF) moderiert. Über die Anfrage habe sich die Autorin "riesig gefreut, weil ich mit diesem Format viel mehr Menschen erreichen kann". Als Wildtierärztin arbeitete sie bereits an den verschiedensten Orten dieser Welt und assistierte in Forschungsprojekten: "Eine Insel, die mich sehr geprägt hat, ist Borneo. Eine beeindruckende Urwaldinsel mit extremer Artenvielfalt." Doch im Interview schlägt sie auch ernstere Töne an: "Wenn wir so weitermachen, also Klima- und Artenkrise weiterhin ignorieren, dann werden wir unsere Lebensqualität verlieren. Ein großer Teil der Menschheit wird nicht überleben können."

teleschau: Für "Terra X: Faszination Erde" reisten Sie nach Thailand, zu den Galapagos-Inseln und nach Gabun. Warum haben Sie sich für diese Orte entschieden?

Hannah Emde: Wir überlegen in der Wissenschaftsredaktion des Formats gemeinsam, welche Länder und Ökosysteme spannend sind oder wo ich bereits Kontakte oder Projekte mitbringe, für die ich gearbeitet habe. Gabun war faszinierend, ein eigentlich eher unbekanntes Land, wo der menschliche Einfluss sehr gering war. Wir konnten Schimpansen und Gorillas in der freien Wildbahn beobachten. Oder die Galapagos-Inseln, davon träume ich, seit ich ein Kind bin. Super war es auch, Thailand durch die 'Terra X'-Brille zu entdecken, weil man die Gegend sonst nur als Urlaubsland kennt.

teleschau: Wie kamen Sie zu dem Job als "Terra X"-Moderatorin?

Emde: Ich habe schon vorher etwas mit Medien gemacht, darunter die Doku-TV-Serie 'Hannah goes wild' (in der ARD-Mediathek, d. Red.). Außerdem habe ich zwei Bücher zum Thema Artenschutz geschrieben. Zu der Zeit, als ich angefragt wurde, war ich Beraterin bei der GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, d. Red.): Dort habe ich mich mit Gesundheitsrisiken im Wildtierhandel beschäftigt. Als die 'Terra X'-Redaktion auf mich zukam und fragte, ob ich 'Faszination Erde' moderieren möchte, freute ich mich riesig, weil ich mit diesem Format viel mehr Menschen erreichen kann.

teleschau: Wie waren die Dreharbeiten?

Emde: Durch meine Arbeit war ich in den letzten Jahren viel unterwegs, aber die verschiedenen Orte im Rahmen von 'Terra X' zu erleben, war etwas Besonderes. Mit einem Filmteam unterwegs zu sein, ist etwas ganz anderes. Sonst war ich manchmal drei Monate auf einer Forschungsstation, zum Beispiel auf Borneo, und wartete tagelang, bis ein Tier vorbeikommt. Jetzt haben wir bei den Dreharbeiten einen strengen Zeitplan und sehen unglaublich viel.

"Diese faszinierende Welt ist so schützenswert"

teleschau: Was möchten Sie als Moderatorin bewirken?

Emde: Ich will das Publikum auf diese Reisen mitnehmen, das Format ist eine tolle Möglichkeit dafür. Es hat nicht jeder das Privileg, auf die Galapagos-Inseln zu reisen oder die Zeit - oder vielleicht die Lust -, mit Blutegeln durch den Schlamm zu waten wie in Gabun. Die Menschen lernen hoffentlich all diese Orte so lieben wie ich. Ich durfte sogar mit Meerechsen und Pinguinen schwimmen. Auf der anderen Seite haben wir natürlich einen Aufklärungsauftrag. Das Publikum soll zum Beispiel verstehen, wie die Geologie und der Vulkanismus in Zentralafrika mit der Vielfalt im Meer zusammenhängen. Das machen wir nicht auf trockene Schulbuchart, sondern mit tollen Bildern und Forschenden, die wir vor Ort treffen. Diese faszinierende Welt ist so schützenswert.

teleschau: Hauptberuflich sind Sie Wildtierärztin ...

Emde: Ich habe sechs Jahre lang Tiermedizin in Hannover studiert und mit Staatsexamen abgeschlossen und sehr früh angefangen, Praktika und Projekte außerhalb meiner Komfortzone zu machen, so wie im Dschungel von Madagaskar oder in Guatemala. Dort habe ich nur mit Wildtierärzten zusammengearbeitet und so diese Arbeit kennengelernt. In der Wildtiermedizin geht es weniger um das einzelne Tier, sondern man schaut sich die ganze Population in Zusammenhang mit dem Lebensraum an. Darum geht es ja im Artenschutz. Wir wollen nicht, dass nur der einzelne Orang-Utan überlebt, sondern die ganze Art. Dafür schauen wir, ob die Tiere genug Lebensraum haben oder welche Bedrohungen es für sie gibt.

teleschau: Was treibt Sie in Ihrer Arbeit an?

Emde: Das Thema Artenschutz. Es war mein großes Hobby. So habe ich 2017, noch als Studentin, den gemeinnützigen Verein 'Nepada Wildlife e.V.' mit Freunden und Fachleuten gegründet, weil wir selbst etwas im Artenschutz bewegen wollten. Mittlerweile unterstützen wir weltweit Projekte weltweit und setzen Bildungsmaßnahmen hier in Deutschland um. Wenn ich auf einem Forschungsschiff unterwegs bin und neben dem Boot plötzlich ein Orca hochkommt, dann bin ich so glücklich, dass ich das erleben darf. Solche Naturerfahrungen machen mir deutlich, dass es sich lohnt, die Tierwelt mit ihren Lebensräumen zu erhalten. Das ist es, was mich antreibt.

"Wenn man einer Sumatra-Kobra begegnet, ist das natürlich nicht ungefährlich"

teleschau: Sie waren schon in den unterschiedlichsten Ländern. An welches denken Sie am liebsten zurück?

Emde: Puh, das ist schwer zu sagen, weil jedes Land seine eigenen Besonderheiten mitbringt. Aber eine Insel, die mich sehr geprägt hat, ist Borneo. Eine beeindruckende Urwaldinsel mit extremer Artenvielfalt - die aber auch stark bedroht ist von Abholzungen, Palmölplantagen und Lebensraumverlust. Dort war ich viermal und habe unterschiedliche Projekte als Tierärztin unterstützt. Hier begegnete ich auch zum ersten Mal dem Sunda-Nebelparder. Eine ganz besondere und seltene Raubkatze, die nur auf Borneo und Sumatra vorkommt.

teleschau: Waren Sie schon mal in Lebensgefahr?

Emde: Ich hatte auf jeden Fall brenzlige Situationen. Wenn man einer Sumatra-Kobra begegnet, ist das natürlich nicht ungefährlich. Viele denken, dass alles im Dschungel einen fressen will und man sofort stirbt, wenn man da unterwegs ist. Das empfinde ich nicht so. Für mich fühlt es sich gefährlicher an, mit dem Rennrad in der Kölner Innenstadt unterwegs zu sein als im Dschungel - im Dschungel muss man sich einfach an die Regeln halten. Klar sollte man mit Einheimischen oder Leuten, die sich auskennen, unterwegs sein. Aber wenn man sich daran gewöhnt, sich auf sein Gehör verlässt und nicht in die Privatsphäre von Tieren eindringt, dann würden sie niemals angreifen.

teleschau: Was fasziniert Sie an der Wildnis?

Emde: Ich finde die Natur allgemein faszinierend. Dafür muss ich nicht nach Borneo reisen, sondern kann Natur auch in einem naturnahen deutschen Wald erleben. Sie hat etwas Friedliches und Kraftvolles - und kann viel Energie geben. Und diese Faszination für Tiere, die hatte ich schon immer. Kann ich mir auch nicht erklären (lacht). Es ist Wahnsinn, was die Natur uns alles gibt und umsonst schenkt, wie sauberes Trinkwasser oder fruchtbaren Boden. Darum finde ich es so schade, dass wir den Respekt und die Wertschätzung dafür verlieren.

teleschau: Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Emde: Wenn ich zum Beispiel nach drei Monaten von einem Einsatz zurück in die Stadt komme, merke ich, dass wir den Zugang zur Natur verloren haben. Wir holen unsere Lebensmittel im Supermarkt und nehmen nicht mehr richtig wahr, wo wir langlaufen, weil wir immer unser Handy in der Hand haben. Diese Nähe zur Natur, die ich etwa bei Indigenen im Amazonasgebiet erlebt habe, haben wir in unserer Gesellschaft verloren. Ich glaube, dass wir durch extreme Ereignisse, wie Covid-19 zum Beispiel, wieder gemerkt haben, wie sehr Natur uns beeinflussen kann. Da war eine Krankheit, die von Wildtieren auf uns Menschen übertragen wird und sich massiv ausbreitete.

"Ganz klar ist, dass die großen Player mitspielen müssen"

teleschau: Sie sind auch Artenschützerin. Hat sich bezüglich des Artensterbens in den letzten Jahren etwas getan?

Emde: Es ist viel zu wenig! Ich finde, es wird unterschätzt, wie sehr Klima- und Artenkrise miteinander verbunden sind - und voneinander abhängen. Die Klimakrise beschleunigt die Artenkrise. Wenn Tiere in ihren Lebensräumen nicht mehr überleben können, dann sterben sie aus. Und damit gerät das Netz der Biodiversität, wo jede Art voneinander und von den Lebensräumen abhängt, aus dem Gleichgewicht. In Deutschland haben wir seit Jahren ein großes Insektensterben, mit allen Konsequenzen etwa für die Vogelwelt, das ist bekannt. Aber die großen Maßnahmen dagegen, die sehe ich nicht.

teleschau: Wie kann man dieses Problem lösen?

Emde: Ganz klar ist, dass die großen Player mitspielen müssen. Was man wählt, wo man sein Kreuz setzt, hat natürlich Einfluss. Es hilft immer, sich die politischen Programme anzuschauen - auch bei den Europawahlen. Da haben wir auf jeden Fall Macht, jeder Einzelne von uns. Ebenso wie bei unserem Konsum. Ich will das nicht auf jeden Einzelnen abwälzen, aber ich finde diese Selbstwirksamkeit total wichtig. Dass wir halt spüren: 'Okay, ich muss keine Tierärztin oder kein Biologe sein, um gegen das Artensterben zu kämpfen'. Sondern auch, indem ich darauf achte, was ich einkaufe, weil es nicht immer die exotische Ananas aus Costa Rica sein muss.

teleschau: Was könnte sich Deutschland von anderen Ländern abschauen, was den Artenschutz angeht?

Emde: Ich finde es schwierig, wenn Deutschland anderen Ländern vorschreibt, wie sie ihre Arten schützen sollen, weil wir selbst unseren ursprünglichen Lebensraum verloren haben. Wir waren mal komplett bewaldet und hatten überall Bären, Wölfe oder Luchse - das haben wir nicht mehr. Es gibt die ersten Projekte, damit der europäische Luchs zurückkommt, aber wir haben kaum Raum dafür. Das ist ja immer das Problem im Artenschutz. Bei uns im Verein ist es immer ganz wichtig, dass wir nicht als deutscher Verein in ein Land kommen und sagen 'Wir machen jetzt hier Artenschutz'. Wir kommen dahin, suchen lokale Fachleute und Organisationen, die ihre Arten schützen wollen. Diese unterstützen wir, indem wir Gelder, Expertise und Kommunikation zur Verfügung stellen. Das finde ich viel wichtiger, als zu sagen: 'So muss es gemacht werden'.

"Wir können nicht alles mit Technik retten"

teleschau: Was passiert, wenn es mit der Klimakrise so weitergeht?

Emde: Wenn wir so weitermachen, also Klima- und Artenkrise weiterhin ignorieren, dann werden wir unsere Lebensqualität verlieren. Ein großer Teil der Menschheit wird nicht überleben können. Biodiversität ist eine Lebensgrundlage. Wenn wir die Leistungen des Ökosystems nicht mehr haben, müssen wir selbst dafür sorgen, dass sie funktionieren. Das sind enorme Kosten. Genauso ist das mit den Krankheiten, die für uns alle hier gefährlich werden können: Wenn wir in ein paar Jahren Dengue-Fieber in Deutschland haben, weil die Tigermücke aus den südlichen Gebieten wegen der steigenden Temperaturen zu uns kommt ...

teleschau: Wie realistisch ist das?

Emde: Sehr. Das ist die nächste gefährliche Krankheit, die uns erwartet. Die Häufigkeit solcher Katastrophen wird sich erhöhen, und das Gleichgewicht wird aus den Fugen geraten. Das ist etwas, das wir einfach verstehen müssen.

teleschau: Wären technische Lösungen der Schlüssel für die anstehenden Probleme?

Emde: Wir können nicht alles mit Technik retten, wir sind vom Takt der Natur abhängig. Das Tolle an der Natur ist, dass sie sich selbst erholen kann. Wenn wir zum Beispiel in unserem Projekt auf Borneo - mit dem 'Rhino and Forest Fund' - Palmölplantagen aufkaufen, sie wieder aufforsten und damit Korridore zwischen den Waldfragmenten schaffen, macht der Wald den Rest von ganz alleine. Wir müssen zwar anfangen, Bäume zu pflanzen, aber der Wald holt sich das zurück, und nach wenigen Jahren kommen die ersten Tiere wieder vorbei. Die Natur macht das aus sich heraus, aber wir müssen den ersten Impuls setzen, und sie dann halt in Ruhe lassen.

teleschau: Das heißt?

Emde: Wir haben auf jeden Fall eine Chance, das Ruder herumzureißen, aber wir müssen jetzt anpacken.

"Dieses Bewusstsein für die Natur habe ich nicht einfach mitgebracht, sondern gelernt"

teleschau: Mit einem Blick auf die heutige Jugend - finden Sie, dass Kinder und Jugendliche den Bezug zur Natur verlieren?

Emde: Nein, da bin ich überhaupt nicht so schwarzmalerisch. Wenn ich meine Vorträge in Schulen für Kinder und Jugendliche halte, spüre ich Faszination und Neugierde bei ihnen. Sie lassen sich anstecken und wollen danach alle Orang-Utans retten oder Nebelparder schützen (lacht). Kinder und Jugendliche brauchen nur den richtigen Zugang und dürfen nicht vom Krisenmodus überrannt werden. Sie brauchen die Chance, selbstwirksam zu handeln. Und ich finde, da haben alle Eltern und Schulen eine Verantwortung, diese Selbstwirksamkeit zu ermöglichen. Aber das Interesse muss erst mal geweckt werden.

teleschau: Und, wie kann das Interesse geweckt werden?

Emde: Man könnte einen Aufenthalt in der Natur mit coolen Sachen verbinden, zum Beispiel mit einer Challenge, oder man beobachtet ein besonderes Tier. Ich bin fest davon überzeugt, dass man diese Faszination bei jedem wecken kann. Man braucht einfach die richtigen Zugänge - wie einen TikTok-Star, der Bock hat, eine Challenge in der Natur zu starten. Ich sage nicht, dass das leicht ist, aber ich versuche mit meiner Arbeit, eine Faszination bei den Menschen zu wecken.

teleschau: Sie haben durch Ihre Arbeit bestimmt einiges gesehen und lernen können. Was möchten Sie Ihren Mitmenschen davon unbedingt mitgeben?

Emde: Den sorgsamen und nachhaltigen Umgang mit unseren Ressourcen. Ich bin auch im Überfluss in Deutschland aufgewachsen, wo ich einfach in den Supermarkt gehen kann. Aber durch den Austausch mit Menschen aus anderen Ländern habe ich den respektvollen Umgang wieder gelernt. Ich war völlig überrascht, als der Forschungsassistent plötzlich in den Wald ging, mit einem großen Strauß Farne wiederkam und sagte: 'Den können wir heute Abend essen'. Und ich dachte mir nur: 'Alter, was? Man kann Farne essen? Wie cool!' Dieses Bewusstsein für die Natur habe ich nicht einfach mitgebracht, sondern gelernt. Und das ist etwas, was ich weitergeben möchte.

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