"Mord mit Aussicht"-Star Sebastian Schwarz: "Ich war immer stolz darauf, aus Thüringen zu kommen"

Interview zur neuen Staffel Sebastian Schwarz positioniert sich im Interview klar gegen Rechts und will zum Nachdenken anregen. Der Schauspieler kann aber auch lustig: Der sympathische Thüringer Schauspieler gibt ab Dienstag, 16. April, im Ersten im Schmunzelkrimi "Mord mit Aussicht" wieder den entschleunigten Dorfpolizisten Heino Fuß.

Wenn ihm als König von Deutschland drei Wünsche gewährt würden, hätte Sebastian Schwarz Mühe, sich zu entscheiden. Zu viele Anliegen gibt es, die er gern anpacken würde. Zum Glück ist der vielseitige Schauspieler ("Zwei Weihnachtsmänner sind einer zu viel", "Die Jägerin") keiner, der sich scheut, Klartext zu reden. Im Gespräch mit ihm ist schnell klar: Politik ist sein Lieblingsthema. Die Umfrageergebnisse der Parteien machen ihm Bauschmerzen, mit dem "braunen, dumpfen Gesocks", so sagt er, habe er nichts am Hut. Wie man künstlerisch ein Zeichen gegen Rechts setzen kann, überlegt er zurzeit mit seinem Kumpel, dem Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel. Schwarz, der aus Greiz in Thüringen stammt und eine beeindruckende Theater-Agenda vorweisen kann, ist seit vielen Jahren auch in Film und Fernsehen präsent. So kennt man den 40-Jährigen beispielsweise aus der Kult-Krimiserie "Mord mit Aussicht", in der er seit der letzten Staffel den äußerst heimatliebenden Dorfpolizisten Heino Fuß spielt. Auch in den neuen 13 Folgen (ab 16. April jeweils dienstags, 20.15 Uhr, im Ersten) ist er mit von der Partie. Zuvor sammelte er einschlägige Erfahrungen als Kriminalhauptkommissar Werner Fitz in "Kommissarin Lucas".

Sebastian Schwarz, der mit der Schauspielerin Marie Burchard verheiratet ist und zwei Kinder hat, spricht im Interview über das Leben auf dem Land, seinen Austritt aus der SPD und geleisteten Zweckoptimismus.

"Mich zieht es dahin, wo ich herkomme"

teleschau: "Mord mit Aussicht" ist schon seit 2008 Kult. Was hat Sie an der Neuauflage und der Rolle des geruhsamen Heino Fuß gereizt?

Sebastian Schwarz: Angefragt wurde ich schon 2019 bei der Berlinale. Das fand ich toll, denn vor zehn Jahren habe ich das selber immer geguckt (lacht). Endlich mal eine fiktive Reihe, die sich intensiver mit dem Landleben auseinandersetzt, wo sonst immer nur die Stadt beleuchtet wird. Das fand ich als Landei natürlich interessant.

teleschau: Wie gefällt Ihnen die Zusammenarbeit mit Ihren beiden Co-Kommissarinnen?

Sebastian Schwarz: Als das Casting losging, kam erst Katharina (Wackernagel, d. Red.) dazu und dann Eva (Bühnen, d. Red.). Das war wirklich segensreich. Von daher war es ein glücklicher Zufall, dass wir in dieser Kombi die neuen Biografien etablieren konnten, vor allem in einem Kosmos, den die Leute schon kannten. Das war der Reiz daran. Wir hatten ein sehr gutes Miteinander bei dieser Arbeit. Es sind nicht immer unbedingt Freundschaften, aber auf jeden Fall eine lange Liste von Kollegen, auf die man sich verlassen kann. Vor allem mit Felix Vörtler macht es wirklich Freude, jeden Tag etwas zusammen zu suchen und zu finden und aus den Szenen noch mehr rauszuholen, als im Buch steht.

teleschau: Was hat sich in der fünften Staffel geändert?

Sebastian Schwarz: Ich finde, dass es uns jetzt noch mal mehr gelungen ist, zu uns selbst und zu unseren Figuren zu finden, noch mehr zeigen zu können, noch mehr Farben ins Spiel zu bringen. Das gilt besonders für Heino, der mit verschiedenen Sachen konfrontiert ist, wo man auch die nachdenklichere und unbekanntere Seite herauskitzeln konnte.

teleschau: Was mögen Sie an Ihrer Figur besonders gerne?

Sebastian Schwarz: Ich mag Heinos Zuverlässigkeit. Wenn es drauf ankommt, ist er da. Das wird man in der neuen Staffel besonders am Ende sehen, da gibt es einen großen Showdown, und man sieht Heino in bisher unbekannter Aktion. Er kümmert sich aufopfernd um seinen Sohn, obwohl es in ländlichen Gefilden eher ein Novum ist, alleinerziehender Vater zu sein. Er braucht dieses dörfliche nicht-anonyme Miteinander, das Wissen darüber, was sich links und rechts tut, und dass er immer wen anrufen kann, wenn er etwas braucht. Dazu die Ruhe. Das ist es, was ich selber auch vom Leben auf dem Land kenne, denn ich komme ja selber aus einer ländlicher geprägten Region.

teleschau: Sie stammen aus Thüringen. Dann zogen Sie in den Prenzlauer Berg. Leben Sie noch immer dort?

Sebastian Schwarz: Um Gottes willen, nein, Berlin habe ich hinter mir gelassen. Ich bin gerade 40 geworden und merke immer mehr, dass es mich da hinzieht, wo ich eigentlich herkomme. Wir sind jetzt an den Rand gezogen, und das taugt mir wirklich mehr als dieses aufgeregte, hyperverrückte Mitte.

"Schaue mit Sorge in den Herbst"

teleschau: Ihre Theater-Agenda an der Schaubühne in Berlin ist unglaublich lang und umfasst etliche Klassiker wie "Die Glasmenagerie", "Hamlet" und "Romeo und Julia". Versuchen Sie weiterhin, parallel zum Filmen Theater zu spielen?

Sebastian Schwarz: Es läuft gerade sehr gut bei Film und Fernsehen, was auch nicht selbstverständlich ist. Im April fange ich in Prag meine erste internationale Produktion mit der Regisseurin Agnieszka Holland an: "Franz" über das Leben von Kafka, sehr aufwendig und toll besetzt. Dass ich da eine große Rolle bekommen habe: die des Max Brod, ist großartig. Ich fühle mich sehr wohl damit, einmal etwas anderes als eine Komödie zu spielen, nämlich die Biografie eines Menschen, den es wirklich gab. Aber ich sehne mich schon auch wieder nach dem Theater zurück und bin im Gespräch mit der Schaubühne, dieses Jahr ein neues Stück mit Marius von Mayenburg in Berlin zu machen.

teleschau: Sie sagten einmal, Sie spielen besonders gerne die fiesen Rollen. Warum?

Sebastian Schwarz: Ich bin ja eigentlich ein sehr offener und freundlicher Mensch, glaube ich (lacht). Das Tolle an meinem Beruf ist, dass man Dinge ausprobieren kann, die man sich vielleicht im normalen Zusammenleben nicht gestattet und es auch nicht will. Das darf man in meinem Beruf ausleben, und es ist schön, mal seine fiesen, dunklen Schattenseiten zu erforschen und sie auf die Bühne zu bringen.

teleschau: Auch als Zweckoptimist haben Sie sich schon bezeichnet ... Wie meinten Sie das?

Sebastian Schwarz: Natürlich schaue ich gerade als Ostdeutscher mit Sorge in den Herbst. Da ich immer ein politischer Mensch gewesen bin und bleiben werde, macht es mir Bauchschmerzen, wenn ich die Umfrageergebnisse von Höcke und der AfD in Thüringen sehe. Das macht mich wütend und traurig. Ich versuche, den Zweckoptimismus dahingehend zu leisten, dass ich nicht nur demonstrieren gehe, denn das kann ja jeder. Ich versuche gerade zusammen mit dem Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel in meiner Heimatstadt Greiz etwas auf die Beine zu stellen: dort vor Ort zu sein und mit den Leuten ins Gespräch zu kommen mithilfe einer künstlerischen Sache, die wir uns gerade überlegen. Wir wollen gar nicht oberlehrerhaft auf die Leute schauen, sondern verstehen, warum man diejenigen wählt, die so offenkundig falsch sind, vielleicht auch den einen oder anderen nachdenklich stimmen.

"Da hat sich die SPD nicht mit Ruhm bekleckert"

teleschau: Wie kann diese Zusammenarbeit konkret aussehen?

Sebastian Schwarz: Sebastian und ich kennen uns schon lange, haben aber erst einmal etwas zusammen gemacht, zu 25 Jahren Ost-SPD 2014. Seitdem waren wir immer in Kontakt und sind uns einig, dass man vor Ort sein muss, präsent sein muss. Im Hinblick auf die Wahlen ist das extrem wichtig. Ich würde es mir nicht verzeihen, die Hände in den Schoß zu legen und zu sagen: "Wir werden mal sehen." Trotzdem finde ich dieses Ost-Bashing, das gerade betrieben wird, so falsch. Ich glaube, früher hat man sich nicht dafür interessiert, aber jetzt, weil man Angst vor diesen Wahlen hat. Meine Identität war mir schon immer wichtig. Ich war immer stolz darauf, aus Thüringen zu kommen, aus einer Region, der es vielleicht nicht so gut geht, und etwas über die Region zu erzählen. Ich kenne mehr tolle Leute in Thüringen als braunes, dumpfes Gesocks!

teleschau: Sie waren früher SPD-Mitglied. Woher rührt Ihr Interesse an Politik? Kommen Sie aus einer politischen Familie?

Sebastian Schwarz: Wir haben immer über Politik diskutiert. Meine Eltern sind keine Intellektuellen, aber immer interessiert an dem, was um sie herum passiert. Sie gehören nicht zu den Wende-Verlierern, die es ja durchaus gibt, eher zu den Zweckoptimisten, auch wenn es mal schwer war. Wir waren immer eine rote Enklave in einer relativ schwarzen Ecke. Mittlerweile ist es leider sehr viel Blau geworden, was meine Eltern erschreckt und einengt, weil sie Schwierigkeiten haben, bestimmte Dinge im Dorfkreis noch zu formulieren. Die SPD-Leute in Greiz waren die Einzigen, die etwas gegen Rechts unternahmen. Ich habe das als Heranwachsender erlebt: Wenn du bei Dorffesten um zehn noch da warst, wusstest du, die Glatzen kommen und hauen dir eins aufs Maul. Diese permanente und penetrante Präsenz von Nazis im Osten führten fast zu einem inneren Zwang zu opponieren, um denen nicht das Feld zu überlassen. Daher kommt sicher auch meine Politisierung.

teleschau: Wie kam es dazu, dass Sie trotzdem aus der SPD ausgetreten sind?

Sebastian Schwarz: Was ich an der SPD bis heute kritisiere, ist die Unzuverlässigkeit. Ich fand es falsch, dass man Kandidaten wie Martin Schulz so abserviert hat. Da hat sich die SPD nicht mit Ruhm bekleckert, um es mal vorsichtig zu sagen. Das hat mich zum Austritt veranlasst. Außerdem stört mich, dass man bereit ist, rein urbane Politik zu machen, und weniger auf dem Land präsent ist. Durch Leute wie Lars Klingbeil hat sich das zum Glück ein bisschen geändert. Man darf bestimmte Landstriche nicht aufgeben, nur weil man sich da keine Chance ausrechnet. Das ist nicht mein Verständnis von politischer Arbeit. Als ein wenig prominenter Zeitgenosse hat man immer das Gefühl, dass man von der SPD nur dann angefragt wird, wenn es auf die Wahl zugeht. Dann ist es immer wichtig, dass Videos gedreht werden, dass man irgendwo auftaucht. Zwischendurch scheint es der Partei egal zu sein, was die Kunstszene oder Künstler allgemein zu dem, was gerade läuft, sagen können. Und das finde ich ein bisschen wenig.

Berufspolitiker? Nie im Leben!

teleschau: Wenn Sie König von Deutschland wären, welche drei Dinge würden Sie sich auf die Fahnen schreiben?

Sebastian Schwarz: Ach, nur drei? (lacht) Ich finde die Schuldenbremse sehr fragwürdig. Natürlich muss man das Geld ausgeben, wenn es notwendig ist, und jetzt ist es gerade wichtig, es auszugeben. Wenn ich mir die maroden Schulen, das Bildungssystem, kaputte Straßen etc. angucke, finde ich schon, dass man da Geld reinstecken, gleichzeitig aber die jetzt favorisierten Projekte beibehalten und da weiter reinbuttern sollte. Für mich ist Bildung immens wichtig. Kultur ist auch ein wichtiger Aspekt. Vor zwei Jahren ist meine Oma in einem an sich schönen Seniorenheim gestorben, aber wenn ich mir angucke, wie es um die Pflege bestellt ist, fallen mir nicht nur drei Sachen ein, sondern 20. Darüber könnte ich auf jeden Fall noch länger reden.

teleschau: Ihre Frau Marie Burchard ist auch Schauspielerin. Wie erleben Sie es, mit ihr gemeinsam zu arbeiten?

Sebastian Schwarz: Wir arbeiten wahnsinnig gern zusammen und werden auch wieder an der Schaubühne gemeinsam auf der Bühne stehen. Sie hatte auch bei "Mord mit Aussicht" mal eine Episodenhauptrolle. Was wir nicht mögen, ist, dass diese Beziehung so öffentlich stattfindet. Wir funktionieren als Paar hervorragend.

teleschau: Sie haben zwei Kinder. Können die beiden sich vorstellen, in die Fußstapfen ihrer Eltern zu treten?

Sebastian Schwarz: Die interessieren sich dafür und haben es von Anfang an mitbekommen, auch wenn wir versucht haben, sie da rauszuhalten. Sie waren keine Wanderzirkuskinder, denn wir hatten das Glück, dass wir beide an der Schaubühne waren und deshalb nicht dauernd umziehen mussten. Aber wir haben sie oft mitgenommen, wenn wir unterwegs waren, zum Beispiel bei Dreharbeiten in Frankreich mit Christoph Maria Herbst oder letztes Jahr in Köln. Jetzt gehen sie in die Schule, da ist das ein bisschen schwieriger. Ich würde sagen, sie haben beide Talent. Zumindest unterhalten sie gerne und erzählen Geschichten und performen. Sie erinnern uns an uns selber als Kinder.

teleschau: Wenn Sie nicht Schauspieler geworden wären, was dann?

Sebastian Schwarz: Berufspolitiker wollte ich nie sein und werde es auch nie (lacht). Ich hätte auf jeden Fall einen Beruf ergriffen, der etwas mit Leuten zu tun hat. Ich merke, dass ich mich mittlerweile ganz gut alleine beschäftigen und zurückziehen kann, aber ich brauche auch immer wieder den Austausch. Vielleicht hätte ich auch etwas Soziales gemacht.

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