Schauspielerin Sofia Helin: "Als Schwedin schäme ich mich für die Klimapolitik unserer Regierung"

Krimiserie "Iris - Die Wahrheit" Krimifans ist Sofia Helin (51) längst ein Begriff. In der TV-Serie "Die Brücke - Transit in den Tod" spielte Helin vier Staffeln lang die autistische Ermittlerin Saga Norén und wurde damit damit international zum Star. Nun ist die Schwedin im ZDF erneut als TV-Kommissarin zu sehen.

Das Gespräch möchte Sofia Helin dann doch lieber auf Englisch führen, dabei versteht die 51-jährige Schauspielerin, die mit der weltweit gefeierten TV-Serie "Die Brücke - Transit in den Tod" zum Star wurde, auch gut Deutsch. Nach ihrem Schulabschluss hat sie in Hamburg als Au-pair gearbeitet. Allerdings sei sie ein "schlechtes Au-pair" gewesen, gesteht Helin lachend ein. Während ihrer Zeit in Deutschland sei sie lieber feierrn gegangen. Mittlerweile lebt Helin mit ihrer Familie in Stockholm, ist als Schauspielerin aber rund um den Globus gefragt. Sie hat in Australien gedreht, in Deutschland und für die sechsteilige Krimireihe "Iris - Die Wahrheit" (ab 25. Februar, jeweils sonntags, um 22.15 Uhr, in Doppelfolgen im ZDF, bereits ab 10. Februar vorab in der Mediathek) in ihrer schwedischen Heimat. Im Interview spricht Sofia Helin offen über private Schicksalsschläge und geht mit der Politik der schwedischen Regierung hart ins Gericht.

teleschau: Halb Europa kennt Sie als Saga Norén, die coole, autistische Ermittlerin in der ungeheuer erfolgreichen Krimiserie "Die Brücke - Transit in den Tod". Mussten Sie lange überlegen, wieder eine Polizistin zu spielen?

Sofia Helin: "Die Brücke" liegt zwar schon ein paar Jahre zurück, aber die Rolle einer Ermittlerin war in der Tat nicht das, wonach ich unbedingt gesucht hatte. Dann erfuhr ich, dass Camilla (Camilla Ahlgren, eine der Drehbuchautorinnen von "Die Brücke", d. Red.) auch bei "Iris - Die Wahrheit" mit dabei ist. Trotzdem habe ich anfangs gezögert einzusteigen. Ich habe lange überlegt, welche Person diese Iris Broman sein könnte. Mich haben ihre Abgründe interessiert, wie es ist, jemand zu spielen, dem das Schlimmste überhaupt passiert und der trotzdem irgendwie weitermachen muss.

"Gespür für andere Menschen"

teleschau: Wie unterscheidet sich Iris von Saga, der taffen Polizistin mit Asperger-Syndrom?

Sofia Helin: Iris kann das sehr gut, woran Saga scheitert. Sie hat ein Gespür für andere Menschen, kann sich in sie einfühlen. Sie hat das Problem, dass sie von ihren Gefühlen beherrscht wird. Nachdem ihr Kollege und Lebensgefährte erschossen wurde, ist Iris durch diesen Verlust völlig traumatisiert.

teleschau: Sie haben als Kind selbst ein Familienmitglied verloren. Ihr älterer Bruder starb bei einem Autounfall.

Sofia Helin: Ich war damals noch sehr klein. Ich weiß, wie sich Trauer um einen Menschen anfühlt, ich bin damit aufgewachsen. Es war aber eher eine stumme Trauer, als Kind hatte ich dafür keine Worte.

teleschau: Ihre Eltern ließen sich scheiden, als Sie gerade einmal vier Jahre alt waren. Ein harter Schlag für ein Kind.

Sofia Helin: Das war natürlich eine schmerzhafte Erfahrung. Scheidungen kamen in den 1970er-Jahren viel seltener vor als heute. Nicht zuletzt Ingmar Bergmans Fernsehserie "Szenen einer Ehe" hat in dieser Zeit aber dazu beigetragen, dass eine Scheidung in Schweden nicht mehr als etwas Unnormales angeshen wurde. Später ist es mir gelungen, aus der Erfahrung der Trennung meiner Eltern etwas Positives herauszuziehen, sie für meinen Beruf zu nutzen. Vor kurzem habe ich einen schönen Satz gelesen: Ein Baum, den man in einem geschützten Raum pflanzt, wächst nicht so gut wie einer, der draußen Wind und Wetter ausgesetzt ist. Das trifft es, finde ich.

"Eigentlich wollte ich Psychologin werden"

teleschau: Vor Ihrer Schauspielausbildung haben Sie sich mit Philosophie beschäftigt und einige Semester Ideengeschichte studiert. Was hat Sie daran fasziniert?

Sofia Helin: Eigentlich wollte ich Psychologin werden, für das Studium braucht man in Schweden Top-Noten, die hatte ich nicht. Ideengeschichte war aber auch eine großartige Wahl. Im Studium lernt man, wie sich philosophische, religiöse und wissenschaftliche Ideen historisch entwickelt haben und wie sie zusammenhängen. Diesen ganzheitlichen Ansatz habe ich vorher in der Schule vermisst. Bis heute interessieren mich psychologische und religiöse Themen. Gerade lese ich "Das Buch der Freude" von Desmond Tutu und dem Dalai Lama und auch "Heptalogie" von John Fosse (norwegischer Autor, Nobelpreisträger für Literatur 2023, d. Red.). In vielen seiner Bücher spielt Religion eine wichtige Rolle.

teleschau: Sind Sie gläubig?

Sofia Helin: Ich würde mich schon als religiös bezeichnen, will meinem Glauben aber nicht das Etikett einer bestimmten Religionszugehörigkeit anheften. Wir leben in einem Universum, dass wir intellektuell niemals vollständig erfassen werden. Irgendeine höhere Macht muss dies alles erschaffen haben.

teleschau: Ihr Mann Daniel Götschenhjelm ist Schauspieler und Priester in der Schwedischen Kirche. Sprechen Sie auch über religiöse Fragen?

Sofia Helin: Ja, auf jeden Fall, auch wenn dieses Thema in unserer Familie keinen besonders großen Platz einnimmt. Sie dürfen sich mich nicht als typische Pfarrersfrau vorstellen. Ich gehe auch nur selten in die Kirche. Für meine Spiritualität gibt es andere Orte. Jeder Mensch lebt sie auf seine Art aus.

"Derzeit gibt es auf der Welt so viele frustrierende Dinge"

teleschau: Sie haben sich sehr in der schwedischen MeToo-Bewegung engagiert. Mittlerweile ist es um das Thema recht still geworden. Frustriert Sie das?

Sofia Helin: Wissen Sie, derzeit gibt es auf der Welt so viele frustrierende Dinge, dass es mir mehr bringt, Abstand zu gewinnen. Deshalb habe ich von September bis vor Kurzem auch eine Nachrichtenpause eingelegt. Das hat geholfen. Wollen Sie es auch einmal versuchen?

teleschau: Für einen Journalisten ist das schwierig. Wenn man sich Ihr Profil auf Instagram ansieht, finden sich nicht wenige Posts zu politischen Themen. Sind Sie ein politischer Mensch?

Sofia Helin: Das bin ich auf jeden Fall. Allerdings habe ich festgestellt, dass meine Ansichten zu politischen Themen mit zunehmendem Alter immer komplexer geworden sind.

teleschau: Sehen wir uns die Situation in Ihrer Heimat Schweden an. Zuletzt ist das Land auch durch Gang-Kriminalität in die Schlagzeilen geraten. Was ist da los?

Sofia Helin: In Schweden gab es auch früher schon einiges an Gewalt. Als ich aufwuchs, wurde viel über Messergewalt diskutiert. Damals ging es vor allem um nicht-schwedische Täter. Die Art der Gewalt ist heute aber schon eine andere geworden. Es werden mehr Taten mit Schusswaffen verübt, und es gibt noch einmal eine ganz andere Art der Aufmerksamkeit durch die Medien, vor allem die Boulevardmedien.

teleschau: Fühlen Sie sich unsicherer als früher?

Sofia Helin: Nein, ich lebe mitten in Stockholm und habe dort noch niemals Gewalt oder eine andere Art von Kriminalität mitbekommen. Natürlich sorge ich manchmal um meine Kinder und will wissen, wo sie gerade sind. Es hilft aber auch zu wissen, wie man die Kriminalitätsstatistik richtig interpretiert. Nehmen Sie die angeblich so hohe Zahl der Vergewaltigungen in Schweden. Wenn ein Mann seine Ehefrau 20-mal vergewaltigt, dann geht das in den meisten Ländern als eine einzige Vergewaltigung in die Statistik ein, in Schweden zählt das als 20 Vergewaltigungen.

teleschau: Auch in Schweden werden Rechtspoulisten immer stärker. Die Schwedendemokraten tolerien aktuell eine liberal-konservative Minderheitsregierung. Beunruhigt Sie das?

Sofia Helin: Die Schwedendemokraten tolerieren nicht nur die Regierung, sie beherrschen sie. Ich habe den Eindruck, dass sie im Hintergrund die Fäden ziehen. Meiner Meinung nach hilft es nicht, wenn Teile der Medien der Bevölkerung durch immer mehr Schlagzeilen zu Gewalttaten Angst einjagen. Mich beunruhigt vor allem, dass die Regierung unter Ministerpräsident Ulf Kristersson die Klimaziele wieder aufweicht. Dafür schäme ich mich als Schwedin.

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