Schauspielerin und Ex-Model Laura Berlin: "Emanzipation gab es vermutlich schon immer"

Laura Berlin im Interview Laura Berlin begann ihre Karriere als Model der "oberen Kategorie". Mittlerweile ist sie eine gefragte Schauspielerin in so unterschiedlichen Formaten wie der Netflix-Serie "Vikings: Valhalla", "Bauchgefühl" bei ZDFneo oder als Maria Magdalena im Karfreitags-Dokudrama "INRI". Geht das einfach so?

Nicht umsonst spielte Laura Berlin in ihrer Jugend Schneewittchen in einer ARD-Märchenverfilmung. Dazu war sie erfolgreich als Model unterwegs. Damals nahm man Laura Berlin, die tatsächlich auch aus der deutschen Hauptstadt kommt, vor allem über ihr attraktives Äußeres wahr. Doch darauf wollte sich die heute 34-Jährige nicht festlegen lassen. Eine Einstellung, die sich ausgezahlt hat. Längst ist Laura Berlin als Schauspielerin anerkannt. Sogar international als englische Königin Emma von der Normandie in der Serie "Vikings: Vahalla". 2024 soll die dritte und letzte Staffel der Netflix-Historienserie laufen. Aktuell kann man die Deutsche jedoch in zwei sehr unterschiedlichen einheimischen Produktionen sehen: Als Schwangere, die über einen Abbruch nachdenkt, in der Instant-Serie "Bauchgefühl" (Sonntag, 7.4., 20.15 Uhr, ZDFneo) und als Maria Magdalena im Karfreitags-Dokudrama "INRI: Warum musste Jesus sterben?" (Freitag, 29.3., 22.20 Uhr, ZDF). Ein Gespräch darüber, was an historischen Rollen so besonders ist und warum sie sich - trotz bewusst abgebrochener Modelkarriere - auch heute noch gerne fotografieren lässt.

teleschau: Maria Magdalena wurde schon oft für Filme inszeniert. Ihr Verhältnis zu Jesus, auch ihre Bedeutung wurde aber auch immer unterschiedlich interpretiert. Wie haben Sie's gemacht?

Laura Berlin: Der Ansatz von "INRI" war, dass man sich den Figuren auf einer menschlichen Ebene nähert. Für meine Arbeit ist es wichtig zu untersuchen, was diesen Menschen bewegt und antreibt. Wer war sie als Mensch, wo kam sie her, was hat sie ausgezeichnet? Der historische Kontext war dabei natürlich wichtig, auch wenn es schwer ist, aus 2.000 Jahre alte Quellen und Interpretationen ein klares Bild dieser Person zu formen. Historische Quellen gibt es wenige und zudem widersprechen sie sich oft. Dass es diese Frau gab, ist auf jeden Fall gesichert. Mir ging es darum, den Menschen abseits der Romantisierung und Instrumentalisierung zu finden.

teleschau: In den letzten Jahren zeigt man im Film gerne mal emanzipierte Versionen historischer Frauen. Ihre Figur lebte vor 2.000 Jahren. Gab es damals überhaupt Emanzipation?

Laura Berlin: Emanzipation gab es vermutlich schon immer. Es geht dabei darum, sich aus einem Zustand der Bevormundung befreien zu wollen. Betrachtet man das Frauenbild in der Bibel oder historischen Überlieferungen, ist vieles dort noch auf dem "alten Stand" und die späteren Auslegungen der Geschichten sind natürlich geprägt durch das jeweilige zeitgenössische Weltbild. Trotzdem sind menschliche Bedürfnisse und Konflikte meist universell und zeitlos. Jeder Mensch hat sich vermutlich schon einmal, ob bewusst oder unbewusst, in seinem Leben emanzipiert. Das wird in der Vergangenheit auch so gewesen sein.

"Wir sind noch nicht am Ende unserer Wissens über vergangene Zeiten angekommen"

teleschau: Also war sie doch eine emanzipierte Frau?

Laura Berlin: Auf jeden Fall. Maria von Magdala ist eine Überlebende, die sich für einen neuen Lebensweg entschieden hat. Eine, die für sich und andere Verantwortung übernommen hat. Sie verlässt ihre zerstörte Heimat, muss ihr Kriegstrauma verarbeiten und sich ein neues Leben aufbauen. In der Begegnung mit Jesus findet sie eine spirituelle Heimat und eine neue Gemeinschaft, für die sie sich einsetzt. Sie hat sich nicht zurückgehalten, sondern eine aktive Rolle in der Entscheidung über ihren Lebensweg und auch innerhalb der Gruppe der Jünger, in der sie recht einflussreich war, übernommen. Maria wird als jemand beschrieben, die diese Gemeinschaft zusammengehalten hat und deren Meinung Gewicht hatte. Nach Jesus Tod und dem Auflösen der Anhängerschaft findet sie neuen Halt in der eigenen Stärke und beschließt, ihre Lehren und Erkenntnisse weiterzugeben und mit anderen zu teilen.

teleschau: Auch in der Netflix-Serie "Vikings: Valhalla" spielen Sie mit Emma of Normandy eine historisch verbriefte Königin, die um das Jahr 1.000 lebte. Neigt man dazu, solche Frauen heute zu moderner zu interpretieren, als sie tatsächlich waren?

Laura Berlin: Natürlich spielen die Lebensumstände und das gesellschaftliche Klima der Zeit eine große Rolle. Das hat Einfluss darauf, wie die Person sich und die Welt um sich herum bewertet. Und auch darüber, wie sie von außen bewertet wird. Ich stütze mich in meiner Vorbereitung natürlich auf jene Fakten und Auslegungen, die mir zur Verfügung stehen. Und ich hinterfrage diese im Zuge meiner Recherche, um ein klareres Bild von dem Menschen zu erhalten, den ich untersuchen möchte. Aber eine Gesellschaft ist unabhängig vom Zeitgeist immer etwas Komplexes und Vielschichtiges. Wir sind bisher noch nicht am Ende unseres Wissens über vergangene Zeiten ankommen. Es werden immer wieder neue Erkenntnisse gewonnen, die uns unsere bisherigen Vorstellungen und Sichtweisen überdenken lassen. Das gilt besonders bei der Debatte um die Rolle der Frau in der Gesellschaft.

"Der Wunsch nach Respekt und Mündigkeit"

teleschau: Wenn man in einer Serie wie "Vikings: Valhalla" spielt, die man auf der ganzen Welt sehen kann, rufen dann ganz andere Leute an, die einen für Rollen oder Castings anfragen? Und wenn ja, wer hat angerufen?

Laura Berlin: Natürlich haben internationale Projekte wie "Vikings: Valhalla" eine größere Reichweite, und Teil dieses tollen Casts zu sein war eine wahnsinnig schöne Erfahrung und ein großes Abenteuer. Aber auch "Grand Ciel", ein französischer Arthausfilm, den ich 2019 gedreht habe und der diese Reichweite nicht hatte, war für mich persönlich eine sehr aufregende und inspirierende Reise. Der Einfluss von Sprache auf das eigene Spiel und das Zusammentreffen verschiedener Kulturen - das ist, was mich am internationalen Arbeiten wirklich begeistert. Diese Begeisterung habe ich allerdings auch für tolle Projekte im deutschsprachigen Raum. Ich habe Spaß an der Herausforderung und am Geschichtenerzählen und freue mich, dass ich aktuell mit "Bauchgefühl" Teil eines mutigen und wichtigen Projektes sein durfte.

teleschau: In "Bauchgefühl" spielen Sie gerade eine Mutter, die ungewollt ein zweites Mal schwanger wird und über einen Abbruch nachdenkt. Braucht eine solche aus dem Leben gegriffene Rolle mehr oder weniger Vorbereitungszeit als eine historische Figur?

Laura Berlin: Auch wenn historische Rollen manchmal noch andere, spezielle Herausforderungen mit sich bringen, kann man das nicht so ganz vergleichen. Jedes Projekt stellt neue Anforderungen und jede Figur braucht eine eigene Form der Auseinandersetzung, ganz unabhängig vom zeitlichen Kontext. Bei "Bauchgefühl" war die Aufgabe, sich einem Thema und einem Konflikt zu nähern, mit dem ich bis dato kaum Berührungspunkte hatte. Im Zuge der Vorbereitung habe ich viel recherchiert und mich mit Betroffenen unterhalten, um mir ein Bild von den Umständen zu machen und habe mich bei "Lena" gleichzeitig auch auf meine Intuition verlassen, da das Thema im Kern etwas ist, das uns alle bewegt: der Einfluss von gesellschaftlichen Zwängen auf unser Leben und der Wunsch nach Respekt und Mündigkeit.

teleschau: Frauen, die quasi "ohne Not" ihre Schwangerschaft abbrechen, schweigen oft darüber. Warum ist dieser Schritt ein Tabuthema - und wie könnte man das Ganze fairer, objektiver betrachten?

Laura Berlin: In der Diskussion geht es nur um eine Sache: das grundlegende Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper. Mit der Kriminalisierung des freiwilligen Abbruchs wird Frauen deutlich gezeigt, dass sie dieses nicht für sich beanspruchen können und das finde ich falsch. Den Bedürfnissen der Betroffenen sollte mit mehr Offenheit und Respekt begegnet werden.

"Geschichte, die man festzuhalten versucht"

teleschau: Sie tauchen gerade mit vielen neuen Rollen im Programm auf. Täuscht der Eindruck, dass Sie als Schauspielerin gerade durchstarten? Früher haben Sie auch viel gemodelt.

Laura Berlin: Für mich besteht da kein Zusammenhang. Die Arbeit vor der Kamera hat mir im Alter von 16 Jahren die Türen nach Paris und Mailand geöffnet und mir gezeigt, dass die Welt einem sehr viel mehr Möglichkeiten bietet, als mir bis dato bewusst war. Unter anderem auch dadurch habe ich meine Leidenschaft zum Schauspiel entdecken können. Da hört die Verbindung allerdings auch schon auf. Seitdem ich mit 19 in einer Hauptrolle debütieren konnte, durfte ich als Schauspielerin und als Mensch sehr wachsen, ganz unabhängig von meiner Karriere in der Modebranche.

teleschau: Träumen junge Menschen auch vor allem deshalb vom Model-Job, weil sie schön gefunden und geliebt werden wollen?

Laura Berlin: Das ist durchaus möglich.

teleschau: Lassen Sie sich denn noch gerne fotografieren - oder entwickelt man da als Ex-Model eine Allergie?

Laura Berlin: Fotografie ist eine wahnsinnig tolle Kunstform und ein sehr schönes Medium. Während man im Bewegtbild Momenten durch die Abfolge mehrerer Bilder erst einen Kontext gibt, hat man in der Fotografie immer dieses Spannungsfeld des isolierten Augenblicks und der Geschichte, die man festzuhalten versucht. Diese Essenz zu suchen finde ich nach wie vor, vor und hinter der Kamera, sehr spannend.

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