Bedeutender Archäologie-Fund in Chemnitz

Grabungen Jüdisches Tauchbad auf der archäologischen Ausgrabung "Neue Johannisvorstadt" entdeckt

Vor dem Bau der "Neuen Johannisvorstadt" untersucht das Landesamt für Archäologie Sachsen seit Herbst 2021 am Rand der Chemnitzer Innenstadt die Fläche zwischen der Augustusburger Straße und der Theresenstraße. Zwischen den Fundamenten eines Kellers legten die Archäologen dort kürzlich die Überreste einer sogenannten Mikwe, eines rituellen jüdischen Tauchbades, frei.

 

"Wertvolles Zeitzeugnis unserer Kulturgeschichte"

Entdeckt wurde zunächst eine rundgemauerte Struktur, ähnlich einem Brunnen. Schritt für Schritt legte man dann unmittelbar daneben ein rechteckiges, noch immer mit Grundwasser gefülltes Becken frei, das über einen schrägen Abgang mit zwei Treppen-stufen zu erreichen war. Die benachbart liegende Struktur diente vermutlich dazu, Wasser der Gablenz und Grundwasser aufzunehmen und den Wasserstand im Tauchbecken zu regulieren. "Die in der Chemnitzer Innenstadt entdeckte Mikwe ist ein wertvolles Zeitzeugnis unserer Kulturgeschichte. Sie zeigt, dass jüdisches Leben und jüdische Kultur bereits vor Jahrhunderten Teil der sächsischen Gesellschaft war", sagt Sachsens Kulturministerin Barbara Klepsch. "Mein Dank geht an das Landesamt für Archäologie, das die Ergründung des Fundes wissenschaftlich begleitet und ich hoffe, dass wir dieses besondere Denkmal erhalten können."

 

Alter noch nicht abschließend geklärt

Die Datierung der Chemnitzer Mikwe wird zurzeit noch erforscht. Sie selbst liefert kaum Anhaltspunkte für ihr Alter, aber sie wird von anderen Mauern überlagert und ist somit älter als diese. Sicher ist, dass sie bereits vor langer Zeit verfüllt wurde. In den Verfüll-schichten fanden sich einige, teils stark korrodierte und deswegen unleserliche Münzen, die vor der Bestimmung durch Numismatiker noch restauriert werden müssen. Nach ihrer Auswertung besteht Hoffnung

auf einen zeitlichen Rahmen.

 

Absprachen mit Investor zum Erhalt des Denkmals

Die Chemnitzer Mikwe ist eines der wenigen älteren baulichen Zeugnisse der jüdischen Kultur in Sachsen und hat daher eine besondere, über die Stadt hinausgehende Bedeutung. Nur für eine weitere, im Bestand erhaltene sächsische Anlage wird eine Deutung als Mikwe in Erwägung

gezogen: In einem mittelalterlichen Keller in Görlitz gibt es ein quellwassergespeistes Bassin mit einer Rinne. Das Areal, in dem die Chemnitzer Mikwe liegt, wird mit einem modernen Wohn- und Geschäftshaus überbaut. Zurzeit erfolgen enge Absprachen mit dem Investor, um Möglichkeiten für den Erhalt des Denkmals an seinem Platz zu prüfen.

 

Stichwort Tauchbad

"Mikwe" bedeutet übersetzt "die Sammlung von Wasser". Bis heute sind sie in jüdischen Gemeinden wichtige Einrichtungen. Männer und Frauen vollziehen das Tauchbad nach einem vorgegebenen Ablauf, um sich nach bestimmten Ereignissen und vor Feiertagen rituell zu reinigen.

Reinheitsgebote werden in den fünf Büchern der Thora dargelegt. Aber nicht nur Menschen müssen sich rituell reinigen. Auch Geschirr und Gefäße aus nicht jüdischen Händen müssen zunächst vor der Benutzung im Tauchbad gereinigt werden. Für Bau und Nutzung dieser traditionellen Tauchbäder, die in Jerusalem bereits seit dem 1. Jahrhundert n. Chr. belegt sind, gibt es einige

Vorschriften, die zu beachten sind: so muss das Wasser einer Mikwe 'lebendig' sein, also fließen, wie zum Beispiel Grund-, Quell- und Flusswasser, aber auch Regenwasser. Es darf keinesfalls geschöpftes oder Herbeigetragenes Wasser sein. Außerdem muss das Tauchbecken so tief sein, dass der Körper mit gebeugten Knien komplett mit Wasser bedeckt ist. Die eigentliche Reinigung wird durch das dreimalige Untertauchen, verbunden mit dem Sprechen eines bestimmten Segensspruches vollzogen.

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