Darum platzen in Chemnitz reihenweise Eigenheim-Träume

Analyse Eigenheimbau in der Stadt im ersten Halbjahr 2023 um 60 Prozent zurückgegangen

Chemnitz. 

Chemnitz. In Chemnitz platzen vermehrt die Träume vom Wohneigentum! Laut einer aktuellen Regional-Analyse des Pestel-Instituts zum Chemnitzer Wohnungsmarkt gab es in den ersten sechs Monaten dieses Jahres in der Stadt lediglich 45 Baugenehmigungen für neue Ein- und Zweifamilienhäuser. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2022 waren es noch 114 Baugenehmigungen. "Damit ist der Eigenheimbau innerhalb von nur einem Jahr um mehr als 60 Prozent zurückgegangen", sagt Matthias Günther. Der Leiter des Pestel-Instituts sieht "das Wohneigentum weiter auf der Rutschbahn". Um eine Kehrtwende zu erreichen, müsse der Staat dringend ein effektives Wohneigentumsprogramm auf die Beine stellen.

 

Hohe Zinsen, hohe Baulandpreise, hohe Baukosten

"Der Traum vom eigenen Haus, von der eigenen Wohnung - er platzt gerade in Serie. Wenn es um das Anschaffen von Wohneigentum geht, ist auch Chemnitz quasi in eine Schockstarre verfallen", sagt Katharina Metzger vom Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB), der die Wohnungsmarkt-Untersuchung beim Pestel-Institut in Auftrag gegeben hatte. Nur wenige Menschen könnten sich die eigenen vier Wände heute noch leisten. "Hohe Zinsen, hohe Baulandpreise, hohe Baukosten, die vor allem auch durch hohe Klimaschutz-Auflagen nach oben getrieben werden: Wohneigentum scheitert am Geld", so Metzger.

 

Wie viel Netto für den Neubau?

"Bei der Bewertung der Haushalte, die sich einen Reihenhaus-Neubau leisten können, ist die Zahl der Verdiener nicht entscheidend. Es kommt nur auf die Höhe des Nettoeinkommens an - egal, ob als Lohn, Gehalt, Rente oder Pension. Dabei liegt die angesetzte Grenze der monatlichen Belastung für die Finanzierung von Wohneigentum bei 40 Prozent vom Haushaltseinkommen", erläutert Matthias Günther. Bei seinen Berechnungen zum Wohneigentum in Chemnitz hat das Pestel-Institut unterschiedliche Kriterien herangezogen. Entscheidende Faktoren waren dabei die Zinsen, die lokalen Baulandpreise sowie die aktuellen Baukosten. Die Wissenschaftler kommen zu dem Ergebnis, dass für einen privaten Haushalt in Chemnitz die Grenze bei einem Nettoeinkommen von 5.300 Euro pro Monat liegt.

 

Eigentum für die "Verdiener-Elite"

"Wer ein Einkommen in dieser Höhe hat oder darüber liegt und außerdem noch über ein Eigenkapital von mindestens 41.000 Euro verfügt, der sollte sich auch unter den aktuellen Bedingungen den Neubau des eigenen Reihenhauses in Chemnitz leisten können. Hier geht es allerdings um eine 'Verdiener-Elite'. Wirklich viele sind das nicht. Für alle anderen Haushalte ist Wohneigentum nur machbar, wenn der Staat den Menschen dabei unter die Arme greift - Familien genauso wie Partnerschaften, Singles oder Wohngemeinschaften, die sich die eigenen vier Wände bauen und darin wohnen wollen", sagt Ökonom Matthias Günther.

 

Forderung: Staatliche Starthilfen und langfristiger Niedrigzins

Der Leiter des Pestel-Instituts nennt dazu "Bauhilfen fürs Wohneigentum", für die vor allem der Bund jetzt die Weichen stellen müsse: "Es geht in erster Linie um die nötige finanzielle Starthilfe. Also um ein staatliches Baudarlehen, das nicht nur fehlendes Eigenkapital ersetzt, sondern den Haushalten durch einen langfristigen Niedrigzins auch Sicherheit bietet." Konkret: Bei einem Bundes-Baudarlehen mit einem 1,5-Prozent-Zins würde sich das notwendige Einkommen für den Neubau eines Reihenhauses in Chemnitz nach Berechnungen des Pestel-Instituts auf 3.300 Euro netto im Monat reduzieren. "Außerdem muss politisch dringend dafür gesorgt werden, dass überzogene Bauvorschriften abgeschafft und Klimaschutz-Auflagen bezahlbar bleiben, also wieder gezielt gefördert oder zurückgeschraubt werden", so Wohnungsmarktforscher Günther.

 

Altersarmut in erster Linie Mieterarmut

Das Pestel-Institut nimmt in seiner Untersuchung vor allem die 25- bis 40-Jährigen ins Visier: "Sie gehen beim Wohneigentum seit Jahren mehr oder weniger leer aus. Dabei wäre es dringend notwendig, gerade der Nestbauer-Generation wieder eine Chance auf die eigenen vier Wände zu geben. Denn das eigene Haus oder die eigene Wohnung ist eine wichtige Altersvorsorge. Oder anders gesagt: Altersarmut ist in erster Linie Mieterarmut - also Armut durch Miete", so der Leiter des Pestel-Instituts, Matthias Günther. Es sei höchste Zeit für den Staat, "beim Wohnen politisch wieder in den 'Eigentums-Modus' zu schalten".

 

  Newsletter abonnieren

Euer News-Tipp an die Redaktion