"Mama, ich habe Angst": Chemnitzer Trickbetrug-Opfer im exklusiven Interview

Betrug 70-Jährige möchte vor neuer Masche warnen

Wenn scheinbar "einfache" Whatsapp-Nachrichten zum Geldverlust führen können: So erging es Frau S aus Chemnitz. Die 70-Jährige verlor im März dieses Jahres aufgrund eines Trickbetrugs mehr als 7.000 Euro. Heute teilt sie ihre Geschichte mit unserer BLICK-Reporterin, um andere Menschen mit ihrem Schicksal zu warnen. Die Pensionärin möchte aber anonym bleiben.

Derartige Betrugsversuche sind schon lange bekannt, vor allem als "Enkeltrick", der üblicherweise am Telefon stattfindet. Nun warnte die Polizei aber vor kurzem vor einer neuen Masche: der Betrug per Messengern wie WhatsApp. Dabei wird den Opfern eine Notsituation eines Angehörigen präsentiert, der seine Telefonnummer wechseln musste und nun dringend Geld braucht. In genau solch eine Situation geriet auch Frau S.

 

"Der ganze Tenor klang exakt nach meiner Tochter"

Am 8. März erhielt sie eine WhatsApp-Nachricht von ihrer vermeintlichen Tochter. Diese lautete: "Hallo Mama, mein Handy ist kaputt gegangen, das hier ist meine neue Nummer, die alte kannst du löschen." Doch es war insbesondere die Art und Weise, die die 70-Jährige überzeugte, dass sie hier mit ihrer Tochter schrieb. "Dahinter folgten einige Smileys, die wir auch sonst im Umgang immer miteinander nutzen", erklärt sie. "Auch der ganze Tenor klang exakt nach meiner Tochter, sodass ich gar keinen Verdacht geschöpft habe."

Am nächsten Tag folgte dann die nächste Nachricht, in der der Absender eine Notlage äußerte. Als Frau S. vorschlug, zu telefonieren, lautete die nächste Nachricht: "Nein, ich kann nur schreiben, nicht telefonieren."

Also fragte die 70-Jährige nach dem Problem. "Daraufhin erhielt ich eine Nachricht, dass 'meine Tochter' wirklich Angst habe und Hilfe benötige, weil ihre ganzen Apps nicht funktionieren würden, inklusive der für Überweisungen." Daraufhin dann die konkrete Frage nach einer möglichen Überweisung von mehr als 4.600 Euro. Auch einen Überweisungsbeweis solle Frau S. dann senden.

 

Beim Online-Banking musste die Pensionärin dann noch ihr Kontingent erhöhen, dass zuvor auf 2.000 Euro für Überweisungen begrenzt war. Sie überwies schließlich das Geld und sendete ein Beweisbild an die Nummer. Da die 70-Jährige zwischen Chemnitz und Duisburg pendelt und in dieser Zeit in der westdeutschen Stadt war, konnte sie ihre Tochter, die in Chemnitz wohnt, nicht persönlich aufsuchen. "Wenn man denkt, dass das eigene Kind in Notlage ist, und die Nachrichten einfach so echt wirken, da überlegt man nicht lang", sagt sie.

Dass die Betrüger genau in der Zeit ihres Aufenthalts in Duisburg an sie herantraten, sodass sie nicht direkt mit ihrer Tochter sprechen konnte, hält Frau S. übrigens auch für keinen Zufall. "Die Nachrichten wirkten so echt, dass ich es auch für möglich halte, dass mein Handy zuvor gehackt wurde. Die Polizei konnte mir das aber bisher noch nicht eindeutig bestätigen, auch wenn es möglich ist."

 

Dann folgte der Anruf der "echten" Tochter

Wenige Tage später folgte eine nächste Nachricht, Frau S. "Tochter" habe eine Zahlung vergessen und bitte daher um eine weitere Überweisung von über 3.000 Euro. Frau S. wurde misstrauisch und fragte nach den Gründen für die vielen Überweisungen. "Daraufhin schrieb mir, wie ich dachte, meine Tochter, es gehe um neue notwendige elektronische Geräte", erklärt sie.

Da erinnerte sie sich daran, dass ihr Enkel vor wenigen Tagen einen Laptop beschädigt hatte und vermutete dahinter den Grund für die Einkäufe. Sie überwies also auch den zweiten Betrag, fragte aber auch, ob sie nicht über das Telefon des Schwiegersohns einmal telefonieren könnten.

Zwei Tage später erhielt sie dann auch einen Anruf - von ihrer echten Tochter und der echten Rufnummer. Als die Pensionärin ihre Tochter dann fragte, wie es mit der Rückzahlung des Geldes stehe, und ihre Tochter davon nichts wusste, kam der Betrug zum Vorschein. "Noch am gleichen Abend habe ich mich an meine Bank gewandt, um möglicherweise die Zahlungen noch aufhalten zu können", erzählt Frau S. Doch dafür war es bereits zu spät.

Am nächsten Tag erstatte sie bei der Polizei eine Anzeige. "Die Polizisten sagten mir, dass diese Art des Vorgangs ihnen neu war im Gegensatz zum bekannten Betrug, bei dem beispielsweise einem vermeintlichen Polizisten Geld geben solle", erklärt die Geschädigte.

Auch ein erneuter Versuch bei der Bank, diesmal mit Vorlage der Anzeige, blieben ohne Erfolg. "Die Mitarbeiter waren sehr bemüht, das Geld zurückzuholen, aber aufgrund der Bankleitzahlen der Konten, an die ich überwiesen hatte, konnte man sehen, dass dort nur Online-Banking möglich war und diese schon öfter mit Betrügereien aufgefallen waren", sagt Frau S.

 

"Ich möchte andere Menschen warnen"

Zu Beginn habe sie sich sehr geschämt, gibt die 70-Jährige zu. Aber ihre Familie und enger Freundeskreis haben ihr Mut gemacht. "Meine Freunde sagten mir, sie wären auch darauf reingefallen, weil das Gespräch einfach 1:1 wie mit meiner Tochter war", sagt sie. Sie habe viel Mitgefühl erhalten und sich damit getröstet, dass es "nur" Geld sei, denn es gäbe viel schlimmere Dinge, die passieren könnten.

Die Chemnitzerin sei auch froh über die Hilfe der Polizei gewesen. "Dort war man auch psychologisch geschult und wusste, wie man mit mir umgehen sollte, denn ich war sehr aufgelöst." Die Beamten haben ihr viel Infomaterial angeboten und für die Zukunft darauf hingewiesen, dass, sobald Geld im Spiel ist, man bei solchen Nachrichten nichts mehr machen sollte.

Das sei auch ihr eigentliches Anliegen, warum sie damit an die Presse ginge, erklärt uns Frau S. "Ich selbst bin darüber weg und habe damit abgeschlossen, aber ich möchte andere Menschen vor diesen neuen Maschen warnen."

Das bekräftigt auch die Polizei: "Geben Sie diese Informationen in Ihrem Bekanntenkreis weiter, besonders auch an ältere Menschen, die gezielt von Betrügern kontaktiert werden!", heißt es in einer Information über Trickbetrügerei.

 

Die Polizei warnt wiederholt vor derartigen Anrufen und der neuen Variante über Messenger-Dienste und weist die Bürger darauf hin:

"Geben Sie am Telefon oder per Nachricht niemals Auskünfte zu Ihren finanziellen Verhältnissen oder andere vertrauliche Informationen, auch wenn die Anrufer/Verfasser behaupten, Mitarbeiter offizieller Stellen zu sein!

Übergeben Sie weder Geld noch Wertsachen an Fremde! Die Polizei wird Sie niemals telefonisch auffordern, Geldbeträge für die Abwendung einer Gefängnisstrafe zu überweisen.

Sprechen Sie über derartige Anrufe mit Angehörigen oder Vertrauenspersonen! Kontaktieren Sie Ihre örtliche Polizeidienststelle unter den offiziellen Rufnummern oder rufen Sie im Zweifel die Polizei über den Notruf 110!"

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