Ramadan endet ohne Waffenruhe in Gaza

Krieg in Nahost Während die zähen indirekten Verhandlungen mit ungewissem Ausgang weitergehen, hält Israel an der geplanten Offensive in Rafah fest. Die USA hegen weiter Bedenken. Die News im Überblick.

Die weltweiten Hoffnungen, dass bis zum Ende des für Muslime heiligen Fastenmonats Ramadan eine Waffenruhe im Gaza-Krieg zustande kommt, haben sich nicht erfüllt. Während Millionen Muslime heute in aller Welt das Fest des Fastenbrechens begehen, dauern die zähen indirekten Verhandlungen über eine Feuerpause und Freilassung von Geiseln in Gaza an - mit ungewissem Ausgang.

Derweil treibt Israel sein umstrittenes Vorhaben für eine Bodenoffensive in der Stadt Rafah im Süden Gazas voran. Allerdings teilte Israels Verteidigungsminister Joav Galant Medienberichten zufolge seinem US-Kollegen Llyod Austin mit, dass es noch keinen Termin für eine Offensive gebe. Damit habe Galant seinem Regierungschef Benjamin Netanjahu widersprochen, hieß es. Netanjahu hatte am Montag noch öffentlich erklärt, der Termin für eine Offensive in Rafah stehe fest.

Biden kritisiert Netanjahu: Ich denke, was er tut, ist ein Fehler

Unterdessen strahlte der spanischsprachige Sender Univision ein bereits vergangene Woche aufgezeichnetes Interview mit US-Präsident Joe Biden aus, in dem dieser das Vorgehen von Netanjahu in Gaza scharf kritisiert und auf einen Waffenstillstand drängt. "Ich denke, was er tut, ist ein Fehler", sagte Biden. Er antwortete auf die Frage, ob Netanjahu mehr um sein politisches Überleben als um die nationalen Interessen Israels besorgt sei. Biden sagte weiter: "Was ich also fordere, ist, dass die Israelis nun zu einem Waffenstillstand aufrufen, um die nächsten sechs, acht Wochen den vollständigen Zugang zu allen Nahrungsmitteln und Medikamenten (...) zu ermöglichen." Einige Medien deuteten diese Aussage als eine Art Kurswechsel, da Biden nicht betonte, die Verantwortung für eine Waffenruhe bei der islamistischen Hamas zu sehen. Das Weiße Haus stellte klar, dass dies nicht der Fall sei.

"Unsere Position ändert sich nicht. Der Präsident bekräftigte unsere Position: Wir fordern einen sofortigen Waffenstillstand, der mindestens sechs Wochen im Rahmen eines Geiselabkommens dauern würde", zitierte die "Times of Israel" einen Sprecher des Weißen Hauses. Biden betonte in dem Interview weiter: "Ich denke, es gibt keine Entschuldigung, nicht für die medizinischen Bedürfnisse und die Nahrungsmittelbedürfnisse dieser Menschen zu sorgen. Das sollte jetzt geschehen." Biden hatte einen Tag nach der Aufzeichnung des Interviews mit Netanjahu telefoniert. In dem Gespräch hatte Biden dem Weißen Haus zufolge Netanjahu mit Konsequenzen gedroht, sollte Israel den Schutz von Zivilisten nicht erhöhen.

Berichte: Israel arbeitet an Evakuierungsplänen für Rafah

Galant habe in einem Telefonat mit Austin gesagt, Israel sei derzeit noch dabei, Pläne für die Evakuierung der dortigen Zivilbevölkerung fertigzustellen, berichteten die israelischen Zeitungen "Haaretz", "The Times of Israel" und das Nachrichtenportal "Axios". Die US-Regierung will Israel von einem großangelegten Einsatz in Rafah abhalten. US-Außenminister Antony Blinken erwartet von Israel vorerst Stillhalten.

Für die kommende Woche sei ein Treffen mit einer israelischen Delegation geplant, um über die Bedenken der US-Seite gegen einen solchen Einsatz zu sprechen, sagte Blinken in Washington. "Ich gehe nicht davon aus, dass vor diesen Gesprächen irgendwelche Maßnahmen ergriffen werden", betonte er. Man sei nach wie vor der Überzeugung, dass ein größerer Einsatz in Rafah extrem gefährlich für die Zivilisten wäre." Die israelische Seite habe der US-Regierung auch keinen Termin für eine Rafah-Offensive genannt, sagte Blinken.

USA: Israel legt keinen glaubwürdigen Plan für Rafah vor

Israel hat aus Sicht der US-Regierung weiter keinen überzeugenden Plan zum Schutz der dortigen Zivilbevölkerung im Fall einer Bodenoffensive vorgelegt. Er habe noch keinen "glaubwürdigen und durchführbaren" Plan für die Umsiedlung der Menschen in Rafah gesehen, der detailliert darlege, wie die Zivilisten untergebracht und medizinisch versorgt werden könnten, sagte Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan in Washington. "So bleiben unsere Bedenken bestehen, und wir müssen nun abwarten, was passiert, und die Vereinigten Staaten werden entsprechend reagieren." Sullivan betonte, dass es Kommunikationskanäle mit der israelischen Regierung gebe.

Biden ermahnt Netanjahu: Hilfslieferungen für Gaza reichen nicht

US-Präsident Joe Biden hat Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu aufgefordert, seine Zusagen zur Verbesserung der humanitären Versorgung im Gazastreifen einzuhalten. Was an Hilfsgütern in das Küstengebiet gelange, sei noch nicht genug und müsse mehr werden, sagte Biden bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem japanischen Ministerpräsidenten Fumio Kishida in Washington.

Außerdem stehe die Öffnung eines Grenzübergangs im Norden weiter aus.
Biden reagierte auf die Frage, welche Konsequenzen er ziehen werde, wenn Netanjahu seinen Kurs nicht ändere, und ob er erwäge, weitere Waffenlieferungen an Israel im Zweifel an Bedingungen zu knüpfen. Der Demokrat sagte dazu: "Wir werden sehen, was er tut, um die Zusagen einzuhalten, die er mir gegenüber gemacht hat." Biden hatte Netanjahu zuletzt mehrfach auch öffentlich scharf kritisiert und ihm unter anderem vorgeworfen, sein Vorgehen in Gaza sei ein "Fehler".

Israels Verteidigungsminister kündigt Öffnung neuen Gaza-Übergangs an

Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant hat am Mittwoch die Öffnung eines neuen Übergangs im Norden des Gazastreifens angekündigt. Dies sei einer von mehreren Schritten, der die Lieferung von deutlich mehr Hilfsgütern in das umkämpfte Palästinensergebiet erleichtern solle, sagte Galant vor Journalisten in Tel Aviv. Ziel sei, Güter auch über den Hafen von Aschdod rascher in den Gazastreifen zu bringen und die Sicherheitskontrollen zu erleichtern. Durch den neuen Zugang im Norden solle der Druck auf den bestehenden Übergang Kerem Schalom im Süden des Gazastreifens verringert werden. 

Hamas-Kreise: Israelis sind nicht an Waffenruhe interessiert

Mit Blick auf die laufenden Gespräche über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln sagte Sullivan, dass öffentliche Erklärungen der Hamas "nicht gerade ermutigend" seien. Allerdings gebe es noch keine Antwort der Hamas auf einen Vorschlag, der aktuell auf dem Tisch liege, sagte Sullivan. Er habe mit den Verhandlungspartnern in Katar gesprochen und diese gedrängt, sich um eine Antwort der Hamas zu bemühen.

Aus Hamas-Kreisen in der libanesischen Hauptstadt Beirut hieß es, die Verhandlungen liefen derzeit "nicht gut". Die Israelis seien nur am "Geisel-Thema" interessiert, nicht aber an einer Waffenruhe. Offizielle Angaben zum Verhandlungsstand gibt es nicht. Nach Gesprächen in Kairo hatten Vertreter der Hamas die ägyptische Hauptstadt für Beratungen mit ihrer Spitze verlassen.

Söhne und Enkel von Hamas-Chef Hanija bei Angriff getötet

Bei einem israelischen Angriff im Gazastreifen sind nach Hamas-Angaben drei Söhne und drei Enkelkinder des Hamas-Auslandschefs Ismail Hanija getötet worden. Hamas-Kreise in Beirut bestätigten einen entsprechenden Bericht der Nachrichtenagentur Schihab. Sie seien demnach in einem Fahrzeug in dem Flüchtlingslager Al-Schati im Nordteil des Küstenstreifens getroffen worden. 

"Ich danke Gott für diese Ehre, die er uns mit dem Märtyrertod meiner drei Söhne und einiger Enkelkinder erwiesen hat", zitierte der katarische Fernsehsender Al-Dschasira den Hamas-Chef. Ein israelischer Armeesprecher sagte, man prüfe den Bericht. Hanija, Vorsitzender des Hamas-Politbüros, lebt mit einem Teil seiner Familie seit Jahren in Katar.

Hanija ist seit 2017 Vorsitzender des Politbüros der Hamas. Er war 2021 vom sogenannten Schura-Rat für weitere vier Jahre in seinem Amt bestätigt worden. Er gilt als "übergreifender" Chef der islamistischen Hamas, während Jihia al-Sinwar Chef im Gazastreifen ist. Hanija wurde 1963 im Flüchtlingslager Al-Schati geboren und wuchs dort in ärmlichen Verhältnissen auf.

Israels Militär: Hisbollah-Stellungen in Syrien angegriffen

Das israelische Militär griff unterdessen nach eigenen Angaben erneut Stellungen der proiranischen Hisbollah-Miliz in Syrien an. Wie die Armee bekannt gab, wurde militärische Infrastruktur der Miliz attackiert, die diese nach präzisen geheimdienstlichen Erkenntnissen "an der syrischen Front" genutzt habe. Man mache "das syrische Regime für alle Aktivitäten verantwortlich, die auf seinem Territorium stattfinden", hieß es. Die Angaben konnten bisher nicht unabhängig überprüft werden.

Israels Luftwaffe bombardiert immer wieder Ziele im benachbarten Syrien und will damit verhindern, dass der Iran und mit ihm verbündete Milizen wie die Hisbollah ihren militärischen Einfluss in dem Land ausweiten. Seit Beginn des Gaza-Kriegs haben die Angriffe zugenommen.

Nach dem mutmaßlich israelischen Luftangriff vor wenigen Tagen auf ein Gebäude der iranischen Botschaft in Syrien hatte die Hisbollah erklärt, der Angriff werde nicht ohne Folgen bleiben. Auch der Iran hat mit Vergeltung gedroht. Der Iran ist der größte Unterstützer der Hisbollah. Die Miliz kämpft politisch, aber auch mit Gewalt gegen Israel.

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