Spionage-Prozess - BND-Mitarbeiter bestreitet Vorwürfe

Geheimdienst Ein BND-Mitarbeiter soll Staatsgeheimnisse an Russland weitergegeben haben. Sein mutmaßlicher Komplize hat umfassend ausgesagt. Nun bricht auch der Hauptangeklagte sein Schweigen.

Die Anklage wirft dem Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) Landesverrat in besonders schwerem Fall vor: Mitten im Ukraine-Krieg soll Carsten L. Staatsgeheimnisse an Russland gegeben haben und steht deshalb seit vergangenem Dezember vor dem Berliner Kammergericht. Heute hat der 53-Jährige sein Schweigen gebrochen - und die Vorwürfe bestritten.

Sein Verteidiger Johannes Eisenberg erklärte im Namen des BND-Mitarbeiters im Prozess: "Der Angeklagte wollte und hat den BND nicht verraten." Er habe keinerlei Pflichtverletzungen begangen.

Gemeinsam mit dem in Russland geborenen Geschäftsmann Arthur E. (33) soll Carsten L. im September und Oktober 2022 geheime Dokumente und Informationen aus dem deutschen Auslandsnachrichtendienst an den russischen Inlandsgeheimdienst FSB gegeben haben. Dafür sollen sie laut Anklage einen "Agentenlohn" von 450.000 Euro beziehungsweise 400.000 Euro erhalten haben. Die beiden Deutschen sitzen in Untersuchungshaft.

Aussage rund vier Monate nach Prozessbeginn

Arthur E. hatte im Januar und Februar vor dem 6. Strafsenat seine Sicht umfassend und schillernd vorgetragen zu dem Fall, der zu einem der spektakulärsten Spionagefälle der vergangenen Jahre gehört. Rund vier Monate nach Prozessbeginn äußerte sich nun am 19. Prozesstag Carsten L. erstmals dazu. Dabei bestritt der BND-Mitarbeiter zunächst über seinen Verteidiger die Vorwürfe sowie Schilderungen des Mitangeklagten.

Zu den genannten Zeitpunkten habe es keine Treffen gegeben, bei denen Geheimdokumente übergeben worden seien. Bei dem Geld, das in einem Schließfach von ihm sichergestellt worden sei, handele es sich um private Ersparnisse von Carsten L. und seiner Ehefrau, hieß es in der Erklärung.

Bei Treffen im Biergarten beeindruckt von Kontakten

Im Anschluss stellte sich der BND-Mitarbeiter stundenlang den Fragen des Vorsitzenden Richters Detlev Schmidt. Dabei stand zunächst im Fokus, wie es zum Kontakt zwischen Carsten L. und Arthur E. kam. Kennengelernt haben sich die beiden Männer nach Aussagen des 53-Jährigen durch die Vermittlung eines gemeinsamen Bekannten bei einem Treffen Anfang August 2022 in einem Biergarten im oberbayerischen Weilheim. Dabei sei es zunächst um eine mögliche Beteiligung an einem Erzabbauprojekt von Arthur E. in Afrika gegangen.

Diese Geschäfte erschienen Carsten L. nach eigenen Angaben letztlich zu windig - aber die Reisetätigkeit des früheren Soldaten erschien ihm interessant. "Ich war beeindruckt von seinen Kontakten", schilderte er vor Gericht. "Irgendwann habe ich gesagt, da wärst Du ja der richtige Mann für uns", so der Angeklagte. "Es ist genau die Klientel, nach der wir Ausschau halten." Der Geschäftsmann hatte laut L. Interesse als Quelle für den BND zu arbeiten - so hat es E. auch selbst vor Gericht geschildert.

Nach mehreren Treffen eher privater Natur folgte nach den Schilderungen des Angeklagten schließlich ein Treffen, an dem ein BND-Verbindungsoffizier teilnahm. Dabei sollte der Geschäftsmann genauer unter die Lupe genommen werden, bevor er als "NDV" (Nachrichtendienstliche Verbindung) tätig werden sollte. An diesem Abend sei ihm erst bekannt geworden, dass der Geschäftsmann auch über gute Verbindungen nach Russland verfügte, erklärte Carsten L. Nach einem Gespräch in einem Lokal sei es in eine Spielbank gegangen, dann in ein Bordell. "Es nennt sich ja nicht umsonst Anbahnung", erklärte der BND-Mitarbeiter das Vorgehen.

Angeklagter erhoffte sich Informationen über Botschaftsmitarbeiter

Arthur E. habe schließlich Anfang Oktober 2022 die Freigabe als "NDV" bekommen und sei auch nach Moskau gereist. L. erhoffte sich nach eigenen Angaben dabei Informationen über Mitarbeiter westlicher Botschaften, insbesondere der deutschen Botschaft, die auf der Gehaltsliste von russischen Geheimdiensten stehen sollten. Sein Mandant habe zwar die Anwerbung von E. initiiert, so Verteidiger Eisenberg. Die Überprüfung des Geschäftsmannes habe er jedoch den dafür zuständigen Mitarbeitern im BND überlassen, betonte der Anwalt.

Aus Sicht Eisenbergs gibt es insbesondere nach der Aussage seines Mandanten keine Gründe, diesen länger in Untersuchungshaft zu halten. Über einen entsprechenden Antrag muss das Gericht noch entscheiden. Darum soll es unter anderem am nächsten Verhandlungstag am Donnerstag gehen. Zunächst soll jedoch die Bundesanwaltschaft Gelegenheit haben, Carsten L. zu seinen Angaben zu befragen.

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