Schläfst du schon oder prokrastinierst du noch?

Sandys Einblick Das Phänomen der Schlafprokrastination

Sandys Einblick

Nach einem anstrengenden Tag sehnt man sich manchmal einfach nur danach ins Bett zu gehen und zu schlafen. Doch dann will man noch eine weitere Folge der aktuellen Serie schauen, kurz durch die neusten Beiträge auf Social Media durchscrollen oder noch ein paar Level beim Handyspiel schaffen und schon ist es viel zu spät. Viele Menschen schieben das Schlafgehen immer weiter auf und kommen erst spät dazu, dass Smartphone wegzulegen oder den Fernseher auszuschalten. Dieses Phänomen nennt man Schlafprokrastination oder auch Bedtime Procrastination.

 

Was ist eigentlich Prokrastination?

Von Prokrastination hat sicher jeder schon gehört. Meist wird der Begriff aber in Zusammenhang mit lästigen Aufgaben in der Schule, Uni oder Arbeit genutzt. Diese werden ewig aufgeschoben und lieber andere Tätigkeiten gemacht als eigentlich anstehenden Arbeiten. Wer prokrastiniert findet plötzlich Gefallen daran, die Wohnung zu putzen, den Keller aufzuräumen oder man könnte ja mal Bücher nach Farbe oder alphabetisch sortieren, anstatt die Steuererklärung, die Seminararbeiten oder die Hausaufgaben zu erledigen. Warum wir dazu neigen, unangenehme Tätigkeiten aufzuschieben, hat verschiedene Gründe: Einerseits haben die Ersatzhandlungen häufig sofort positive Ergebnisse, die Wohnung ist nach dem Putzen zum Beispiel gleich sauber. Andererseits ist aber die Aufgabe, die eigentlich erledigt werden muss, häufig anstrengend, unangenehm oder überwältigend. Aber auch Versagensängste oder unrealistische Ziele können Gründe für das Aufschieben sein.

 

Das Schlafengehen Aufschieben

Als Schlafprokrastination wird nicht das Aufschieben von anstehenden Aufgaben bezeichnet, sondern vom Schlafgehen. Das Phänomen wurde erstmals 2014 von einer niederländische Sozial- und Verhaltensforscherin benannt und kann somit als ein relativ neuartiges Phänomen unserer Zeit angesehen werden. Das spiegelt sich besonders in den Mitteln wider, die genutzt werden, um den Schlaf aufzuschieben: Viele greifen zum Handy, um sich vor dem Schlafengehen zu drücken, aber auch Laptop oder Fernseher können genutzt werden. Schlafprokrastination liegt dann vor, wenn das Einschlafen ohne einen wirklichen Grund bewusst verzögert wird, obwohl einem bewusst ist, dass dies negative Konsequenzen haben kann.

 

Gründe für den Schlafaufschub

Doch scheint Schlafen eine eher weniger anstrengend, unangenehm oder überwältigend Aufgabe zu sein. Warum also schieben wir dann das Zubettgehen auf? Die Gründe für das Aufschieben können vielfältig sein. So konnte etwa gezeigt werden, dass Menschen, die zu Prokrastination im Alltag neigen auch zur Schlafprokrastination neigen. Grund dafür kann mangelnde Selbstkontrolle sein. Ebenso können die verschiedenen Chronotypen einen Einfluss auf das Zubettgehen haben. So sind beispielsweise "Eulen", also Menschen, die erst spät abends wirklich müde werden, eher für Bedtime Procrastination anfällig. Diesen Menschen fällt es grundsätzlich schwer, eher einzuschlafen. Auch können FOMO (fear of missing out), also die Angst davor etwas zu verpassen oder täglicher Stress Grund für den Schlaf-Aufschub sein. Besonders dabei kommen weitere Faktoren hinzu: Man versucht in der Zeit vor dem Schlafen seine Work-Life-Balance wieder auszugleichen und endlich selbstbestimmte Zeit zu haben.

 

Der Aha-Moment

Das Phänomen ist tatsächlich weiter verbreitet als bekannt: In Umfragen gaben etwa dreiviertel an, an manchen Tagen später ins Bett zu gehen als eigentlich geplant. Ich persönlich habe selbst erst vor ein paar Wochen zum ersten Mal davon gehört - und einen echten Aha-Moment gehabt. Von Schlafchronotypen hatte ich zuvor schon gehört und mich immer wieder als Eule identifizieren können, aber dass das (aktive) Aufschieben des Schlafes ein eigenständiges Phänomen ist, erklärt rückblickend manchen Abend, an dem ich dann doch dachte "schon so spät?". Besonders während der Corona-Pandemie, Onlinelehre der Uni, Homeschooling der Geschwister und dem Lockdown habe ich gemerkt, wie ich mir meine Freizeit abends zurückgeholt habe. Meine Begründung zu der Zeit - die, wie gesagt, rückblickend perfekt zum Konzept der Bedtime Procrastination passt - "abends will keiner mehr etwas von mir", also konnte ich endlich mal die neuen Folgen von Serien schauen oder in sozialen Netzwerken versinken. Ich wusste, dass der Schlafmangel negative Folgen für mich hat und trotzdem gab es Abende, an denen ich mich nicht dazu bringen konnte, einfach die Augen zuzumachen. Wichtig ist dabei zu sagen, dass dauerhafter und extremer Schlafmangel wirklich ernsthafte Konsequenzen haben kann. Umso wichtiger ist es, das Phänomen zu erkennen und etwas dagegen zu machen.

 

Was hilft gegen Schlafprokrastination?

Mir persönlich hat es geholfen zu erkennen, dass mein Aufschieben ein Problem ist und mir eine Zeit festzulegen, zu der ich spätestens schlafen will. Das ist allerdings sehr individuell und kann nicht an einer Faustregel festgemacht werden. Nicht jeder braucht acht Stunden Schlaf, ob man vor Mitternacht schlafen sollte oder nicht, hängt davon ab, wann man aufstehen muss. Wichtig ist es, einen gesunden Schlafrhythmus zu finden und auf eigene Präferenzen für einen gesunden Schlaf zu achten. Ebenso sind die Gründe für die Schlafprokrastination entscheidend: Wer versucht, Freizeit nachzuholen, sollte sich, wenn möglich, am Tag mehr Möglichkeiten zur Entspannung schaffen. Wer versucht, sich von lästigen Gedanken abzulenken, sollte an einer Lösung des Problems arbeiten.

Ein weiterer Tipp können klare Regeln sein, zum Beispiel, dass das Handy gar nicht erst mit ins Bett genommen wird. Andere Ansätze wären es, einen Wecker zu stellen - nur eben nicht zum Aufstehen, sondern zum Schlafengehen. Viel Handys bieten die Funktion, gewisse "Routinen" zu erstellen, dann sperren sich zu einer bestimmten Uhrzeit beispielsweise Apps. Auch gibt es bei manchen Geräten die Funktion, das Display nur in Schwarz-Weiß anzuzeigen, womit das Scrollen auf dem Bildschirm deutlich unattraktiver wird. Was einem genau hilft und wie man am besten mit der Sache umgeht, ist individuell. Manchmal erwische ich mich noch bei dem Gedankengang "oh Mist schon so spät?", dann lege ich aber mein Handy weg und schlafe. Denn um ehrlich zu sein, Schlafen ist doch viel zu gut, um sich davor zu drücken.

 

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