Erlösung oder Unheil?

"Dune: Part Two" In seiner Adaption des zweiten Teils von Frank Herberts Romanklassiker "Dune" alias "Der Wüstenplanet" entfesselt Denis Villeneuve erneut imposantes Science-Fiction-Kino mit Substanz. Mehr noch als im ersten Film sticht die brennende Aktualität des rund 60 Jahre alten Stoffes ins Auge.

Nur wenige Filmemacher haben in den letzten zehn Jahren einen derart rasanten Aufstieg hingelegt wie Denis Villeneuve. Gestartet mit eigenwilligen Independent-Produktionen, fasste der Frankokanadier 2013 mit dem grimmigen Entführungskrimi "Prisoners" Fuß in Hollywood. Nach dem Erfolg seines nihilistischen Drogenthrillers "Sicario" (2015) wechselte er ins Science-Fiction-Fach und lieferte mit "Arrival" (2016) einen der wohl ungewöhnlichsten Zukunftsblockbuster der jüngeren Vergangenheit ab. Herausforderungen nicht scheuend, setzte Villeneuve in "Blade Runner 2049" (2017) Ridley Scotts Klassiker "Blade Runner" (1982) erfolgreich fort und versuchte sich an einer Verfilmung von Frank Herberts berühmtem Scifi-Roman "Der Wüstenplanet" (im Original: "Dune").

"Dune" (2021) hätte leicht zu einer Stolperfalle werden können, immerhin gab es schon einige gescheiterte Adaptionsbemühungen. Selbst David Lynch erlitt mit seiner von den Geldgebern drastisch gekürzten Kinoversion "Der Wüstenplanet" Mitte der 1980er-Jahre Schiffbruch. Villeneuve gelang es aber, den ersten Teil von Herberts Buchvorlage spektakulär in Szene zu setzen. Womit er sich die Möglichkeit erwarb, auch die zweite Hälfte für die Leinwand zu bearbeiten.

Wirklich ein Auserwählter?

Kurz zum Hintergrund: In "Dune" erhielt Herzog Leto Atreides (Oscar Isaac) im Jahr 10191 von Imperator Shaddam IV. den unwirtlichen Wüstenplaneten Arrakis als Lehen und sollte dort in gewaltigem Umfang Spice abbauen, eine wertvolle Substanz, die das Leben verlängert, das Bewusstsein erweitert und für die interstellare Raumfahrt unabdingbar ist. Zusammen mit seiner Konkubine Jessica (Rebecca Ferguson) und seinem Sohn Paul (Timothée Chalamet) trat Leto seine neue Aufgabe an, fiel allerdings einem Angriff des heimlich mit dem Imperator paktierenden Barons Harkonnen (Stellan Skarsgård) zum Opfer, der vorher die Befehlsgewalt über Arrakis ausgeübt hatte. Während der Großteil des Atreides-Hofstaats beim Überfall vernichtet wurde, konnten Paul und Jessica in die Wüste fliehen, wo sie auf eine Gruppe der Fremen genannten Ureinwohner trafen.

Schon der erste Film zeigte Paul als einen grüblerischen jungen Mann, belastet von der Frage, ob und wie er in die Fußstapfen seines so angesehenen Vaters treten solle. Hinzu kam das Drängen seiner Mutter, die der mächtigen Schwesternschaft der Bene Gesserit angehört, einer seit Jahrhunderten im Hintergrund Strippen ziehenden Gemeinschaft, deren Hauptziel es ist, einen Übermenschen zu erschaffen. Paul könnte, so Jessicas Hoffnung, der Auserwählte sein.

Zweifelnder Held

Am Ende von "Dune" entschied er sich, nicht in die Heimat zu fliehen, sondern auf Arrakis zu bleiben und Baron Harkonnen zu bekämpfen. Mit dem Zaudern, das Timothée Chalamet in seinen oft melancholischen Blick zu packen vermag, ist es deshalb jedoch noch lange nicht vorbei. Was sich im Vorgänger andeutete, wird nun konkret. Paul, den permanent seltsame Träume und kriegerische Visionen verfolgen, muss einen weiteren Entschluss fassen: Will er "nur" seinen Vater rächen? Oder soll er die Rolle des in einer Prophezeiung angekündigten Messias übernehmen, der die Fremen aus ihrer Unterdrückung befreien wird? Sein einheimischer Gefährte Stilgar (Javier Bardem) jedenfalls glaubt, immer neue Anzeichen dafür zu sehen, dass Paul der vorausgesagte Erlöser ist, und trägt seine Meinung mit Nachdruck unters Volk.

Ein weißer Mann nimmt eine indigene Gruppe an die Hand und führt sie ins Paradies - das reaktionäre White-Savior-Motiv, das so viele Hollywood-Filme bis heute bedienen, scheint sich auch hier anzukündigen. Bei "Dune: Part Two" liegt die Sache allerdings komplizierter. Der Fremen-Angehörigen Chani (Zendaya), im ersten Teil nur in Pauls Träumen als geisterhafte Präsenz anwesend, räumen Denis Villeneuve und Co-Drehbuchautor Jon Spaihts ("Die Mumie") im zweiten Kapitel mehr Raum ein, um sie als hin- und hergerissene Figur zu zeichnen. Einerseits entwickelt sie Gefühle für den Atreides-Sohn. Andererseits steht sie dem Gerede vom Heilsbringer kritisch gegenüber. Sie weist mehrfach darauf hin, dass die sogenannte Prophezeiung eine von der Bene-Gesserit-Schwesternschaft mit Hintergedanken aufgebrachte Geschichte sei. Nicht zuletzt ringt Paul massiv mit der angeblichen Vorbestimmung, sieht sich nicht als Anführer, sondern will den Fremen auf Augenhöhe begegnen.

Konflikte der Gegenwart lassen grüßen

Spannend ist die Beziehung zwischen dem Protagonisten und Chani, deren erster Kuss einen Tick zu pathetisch inszeniert wird, vor allem ab dem Moment, wo sich etwas dramatisch verschiebt. Pauls Wandlung, die Chalamet überzeugend transportiert, bringt nicht nur die junge Frau ins Grübeln. Auch das Publikum muss plötzlich seine Einstellung zum Helden überdenken. Nicht von ungefähr beschließt den Film eine Großaufnahme von Chanis Gesicht, in dem sich unterschiedliche Gefühle spiegeln. Ein dritter Teil ist danach eigentlich Pflicht. Und in Interviews ließ der Regisseur bereits wissen, dass er, vorausgesetzt das Sequel schreibt gute Zahlen, auch Frank Herberts zweites Buch im "Dune"-Zyklus auf die Leinwand bringen wolle.

Mehr noch als im Vorgänger wird in "Dune: Part Two" offenbar, wie aktuell der rund 60 Jahre alte Romanstoff ist. Pauls Reise und die politischen Auseinandersetzungen in der beschriebenen Zukunftswelt lassen sich vielfach auf unsere krisengeschüttelte, aufgeheizte Gegenwart beziehen. Brutale Ausbeutung, kapitalistische Gier, imperialistisches Auftreten, ökologische Probleme, atomare Bedrohungen, religiöser Eifer und die gefährliche Sehnsucht nach überlebensgroßen Problemlösern - all das schlägt sich in der Handlung nieder und sorgt für eine mitunter gespenstische Stimmung.

Nicht alles rund

Zur Wahrheit gehört allerdings, dass der Film der Komplexität seiner Themen und Ideen nicht immer Herr wird. Einige Figuren, etwa Baron Harkonnens durchgeknallter Neffe Feyd-Rautha (Austin Butler) als neuer Gegenspieler, werden recht abrupt in die Geschichte eingeführt. Und manch bedeutende Information, beispielsweise eine Erkenntnis Pauls über seine Abstammung, entfaltet, fast beiläufig enthüllt, nicht ihre volle Wucht. Auch Chanis Rolle, obschon viel wichtiger als im Erstling, hätte noch ein bisschen größer sein dürfen, da sie für eine kontroverse Meinung innerhalb der keineswegs heterogenen Fremen-Gruppe steht.

Was die audiovisuelle Kraft seines Science-Fiction-Epos angeht, legt Denis Villeneuve die Messlatte mal wieder hoch. Hier und da mag er in Größenwahn verfallen, und zuweilen hätte er Hans Zimmers dröhnenden Bombast-Score etwas bändigen können. Atemberaubende Bilder, in denen man sich verliert, liefert "Dune: Part Two" aber am laufenden Band. Schon der in glutrotes Licht getauchte Einstieg hat unglaubliche Sogwirkung. Wie Greig Frasers Kamera über den Wüstensand bis zu einer Dünenspitze gleitet, um dann den Blick auf eine Gefahr für Paul und seine Mutter preiszugeben - einfach grandios. Genau dafür gehen wir ins Kino!

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