Happy Birthday Stefan Tennstädt

MOTORSPORT Vogtländer Rennfahrer wird heute 70

Sachsenring. 

Mit dem Rodewischer Stefan Tennstädt feiert heute ein echter Dauerbrenner als Rennfahrer seinen 70. Geburtstag. Während die meisten Rennfahrer irgendwann den Helm gänzlich an den Nagel hängen, oder lediglich noch zu Klassik-Veranstaltungen die Rennkombi überstreifen, sucht der Ex-DDR-Meister immer wieder gern den sportlichen Wettkampf.

 

Rasanter Aufstieg

Stefan wurde als am 12. Juni 1953 geboren. Der sympathische Vogtländer begann seine Renn-Karriere 1971 bei Bergrennen mit einer RT. Bereits ein Jahr darauf schob eine 250er Einzylindermaschine auf MZ-Basis an den Start und errang auf Anhieb die DDR-Juniorenmeisterschaft, die innerhalb der Bestenermittlung für Ausweisfahrer ausgetragen wurde. Diese war die die Eintrittskarte in die halbinternationale Lizenzklasse, denn Rennfahrer aus der westlichen Welt waren in der DDR ab 1973 von den Rennen ausgeschlossen.
Im Herbst 1972 bekam Stefan Tennstädt seine Einberufung in die NVA und so fand die Meisterehrung ohne ihn statt. Was noch schlimmer war, er sollte für die bevorstehende Saison keine Freistellung von der Armee bekommen, da ja zu befürchten war, dass er in diversen osteuropäischen Fahrerlagern mit Personen Kontakt hat, die aus dem nichtsozialistischen Ausland kamen.
Die CSSR, Ungarn und Jugoslawien, machten diesen Schwachsinn nicht mit und im mährischen Brno sowie im heute kroatischen Rijeka fanden Jahr für Jahr sogar Läufe zur Motorrad-Weltmeisterschaftslauf bzw. in Ungarn sogar zur Formel 1 und der Superbike-WM statt.
Infolge des Ausschlusses westlicher Fahrer konnte auch Stefan Tennstädt seine erste Saison bei den Lizenzlern in Angriff nehmen. Der Rest des Jahrzehnts war allerdings nicht gerade von großen Erfolgen gekrönt.
Zusammen mit Auerbacher Clubkameraden Erich Schulten und Roland Sternkopf, für die er früher schon geschraubt hatte, entwickelte man einen Zweizylindermotor auf MZ-Basis und ein eigenes Fahrwerk. Auch damit kam noch nicht der große Durchbruch.

 

Ab in die Lizenz(-Klasse)

Gegen Ende der 1970er-Dekade erhielt Stefan Tennstädt auf Grund eines vierten Gesamtranges in der DDR-Meisterschaft die internationale Lizenz, was aber noch längst keine Garantie für regelmäßige Einsätze war. So konnte er auch später als Mitglied der Nationalmannschaft kaum erwarten, einen ADMV-Brief zu öffnen und zu schauen, ob und wo man in Berlin gedachte ihn hinzuschicken bzw. fahren zu lassen.
Für die Saison 1982 verbesserte er sich noch einmal materialmäßig und übernahm das vorjährige Meistermotorrad vom Hohenstein-Ernstthaler Frank Wendler, zu dessen Club er ein weiteres Jahr später auch wechselte. Der MC Hohenstein-Ernstthal war damals, nicht zuletzt wegen seiner relativen Finanzkraft, eine gute Adresse. Dass wir uns nicht falsch verstehen, die materielle Unterstützung hatte hinter dem Komma kaum weniger Stellen als davor, jedoch trug alles dazu bei, den Sport auszuüben.
So auch, als er auf Vermittlung seines Auerbacher Clubvorsitzenden einen Schrott - B 1000 von der Wismut abkaufen durfte. Eigentlich war es ja niemanden gestattet solch einen Kleintransporter in privaten Besitz zu haben. Diesen klempnerte er wieder auf und fuhr ihn auch als Alltagsauto. Mit dem Auto-Aufklempnern und anschließendem Verkauf verdiente sich Stefan damals einen weiteren Teil seines Budgets.
Mit Frank Wendlers Ex-Motorrad ging es dann für Stefan Tennstädt sportlich einen weiteren Schritt vorwärts. Das dokumentiert die Serie von DDR-Vizemeisterschaften von 1982 bis 1984.

 

West-Technik kam zum Einsatz

Eine weitere Technikverbesserungen erreichte er, als ihm in einem tschechischen Fahrerlager eines Abends der Österreicher Tibor Foco zwei Beco-Zylinder auf den Campingtisch stellte und als Gegenleistung lediglich an den Erfahrungen von Stefan Tennstädt mit diesen interessiert war.
Beco-Motoren waren Anfang der 1980er-Jahre ein ehrgeiziges Projekt der beiden Techniker Tibor Foco und dem bekannteren Harald Bartol, um dessen geistigen Ursprung es später noch zum Rechtsstreit kommen sollte.
Als Stefan Tennstät dann den Eigenbau-Motor mit Beco-Zylindern, MZ-Getriebe und einer Wasserpumpe von Roland Rentzsch am Laufen hatte, war dieser erstens wieder etwas schneller und zweitens, was noch wichtiger war, viel standfester. Die Angst vor plötzlichen Kolbenklemmern war damit weitgehend gebannt. Dadurch verbesserte er sich auch fahrerisch, musste er doch dabei nicht mehr ständig mit einem Ohr auf den Zylindern liegen.
Um auf neuen internationalen Strecken keine Trainingszeit zu verschwenden, fuhren unsere DDR-Aktiven oft zusammen auf die Piste. Stefan Tennstädt fand damals im erfahrenen Bernd Dörffeldt einen guten Lehrmeister. 1985 krönte der Vogtländer seine Laufbahn mit der DDR-Meisterschaft, als er mit sechsten Plätzen am Sachsenring und in Schleiz, sowie dem Vierten in Frohburg bei allen DDR-Rundstreckenrennen bester Einheimischer wurde.
Der MC Hohenstein-Ernstthal ließ sich nicht lumpen und prämierte Stefan mit 1000,- DDR-Mark. Auch weitere Einnahmen von Sponsoren wie Textima und Sporett in ähnlichen Größenordnungen verhinderten jedoch nicht, abgefahrene Reifen ausländischer Konkurrenten bei weiteren zwei bis drei Rennen zu benutzen, profilierte Reifen wurden sogar bis auf die Leinwand nachgeschnitten.

 

Road Racer wurde Motodrom-Pionier

Stolz ist Stefan Tennstädt noch heute, bei den Eröffnungsrennen der osteuropäischen Motodrome Most, Brünn und Budapest am Start gewesen zu sein. Letzteres war zugleich sehr lukrativ, erhielten doch die ersten 20 Platzierten Preisgeld. Stefan wurde Achter und bekam 6000,- ungarische Forint, was umgerechnet rund 1000,- DDR-Mark entsprach. Aufgrund des dubiosen, heute würde man sagen mafiaähnlichen, Verteilsystems des Preisgeldes (die "rührigen" aber sonst wenig einfallsreichen ostdeutschen Funktionäre schalteten sich noch dazwischen) wurde Stefan Tennstädt um die Möglichkeit gebracht, vor Ort dieses Geld erneut für Öl oder Reifen zu reinvestieren.
Beim Brünner Eröffnungsrennen war er mit Rang zwölf bester DDR-Fahrer. Im Rennverlauf wurde er von Loris Reggiani auf der Werks-Aprilia auf der Geraden überholt: "Iech dacht, iech wär zwa Gäng zu niedrig", erinnerte er sich später in breitem vogtländischen Dialekt.

 

Lieblingsstrecke Sachsenring

Trotz der vorbildlichen Sicherheit der neuen Kurse, fühlte sich Stefan Tennstädt in seiner aktiven Zeit auf Naturrennstrecken wohler: "Da wusste man immer genau die Kurvenfolge voraus."
Nicht verwunderlich, dass er als seine Lieblingsstrecke den alten Sachsenring nannte, woran es ihm besonders die Atmosphäre der Queckenberg-Kurve angetan hatte: "Dort versuchte man vor so vielen Augen immer besonders schön zu fahren." 1986 sogar so schön, dass er im Training an besagter Stelle spektakulär stürzte und sein Motorrad unter der Tribüne einschlug.
Einen denkwürdigen seiner relativ wenigen Stürze erlebte er in Banska Bystrica in der damaligen CSSR, als eine Leitplanke des Autobahnkurses zur Guillotine mutierte und seinen Eigenbau-Renner förmlich halbierte. Doch das hätte ähnlich schlecht für ihn selbst ausgehen können, da er knapp am Hindernis vorbeischlidderte.

 

Mit 125er zweitbeste 250er-Zeit gefahren

Eine wesentlich lustigere Episode erlebte er bei einem Rennen in Rumänien. Auf einer Rennstrecke, die nicht einmal den Namen Straße verdiente, fuhr Stefan Tennstädt im ersten Training die schnellste Zeit. Wegen eines kurzfristig irreparablen Defektes hätte das zweite Training fast ohne ihn stattgefunden. Roland Rentzsch hatte da eine zündende Idee und ließ Stefan mit seiner 125er trainieren. Leider vergaß man in der Hektik, Rentzsch's Nummer 26 für das 125er -Rennen gegen Tennstädt's Nummer 21 zu tauschen. In der Startaufstellung stand dann Tags darauf ein Rumäne mit einer Art Cross-Maschine und der Nummer 26 neben Stefan auf Startplatz zwei, der sich diesen Karrieresprung wohl selbst nicht so recht erklären konnte. Dritter war Uli Grobe, der eigentlich den zweiten Rang okkupiert hatte.

 

Teil 2 der erfolgreichen Karriere

Gegen Ende der 1980er-Jahre gehörte Stefan Tennstädt zwar nach wie vor zur DDR-Spitze, doch reichte es nur zu guten Einzelergebnissen. Das Glück zu einer gesamten guten Saison, um auch ein Wörtchen bei der Titelvergabe mitreden zu können, war ihm leider nicht mehr beschieden.
Ende 1989 beschloss er, dem Rennsport adieu zu sagen und die Meisterschule zu besuchen. Dies tat er im Hinblick auf die für 1990 geplante Geschäftsübernahme der Schlosserei Tennstädt in der fünften Generation. Dieser ehemalige Zwei-Mann-Betrieb wurde vor der Wende von Stefan und seinem Vater am Leben erhalten und wuchs nach dem neuerlichen Einstieg in die Marktwirtschaft als vielseitige Metallbau-Firma prächtig.
Nachdem hier alles in geordneten Bahnen lief, dauerte es nicht lange, dass Stefan Tennstädt auf Rennstrecke zurückkehrte. Schöne Erfolge feierte er zum Beispiel in der sogenannten ICGP, einer Rennserie für mehr oder weniger namhafte Ex-Rennfahrer die der 250er- bzw. 350er-Zweitaktklasse nach wie vor zugetan waren. Auch in der Moto Trophy ist er nach wie vor einer der Aktivposten. 2021 gewann er hier zum Beispiel die Jahreswertung der Klasse GP 250-S3.
Im vorigen Jahr wusste er mit seiner neuesten Errungenschaft, einer DKW SS 250 von 1935 mit infernalischem Sound, bei Klassik-Veranstaltungen wie dem Zschorlauer Dreieckrennen und der ADAC Sachsenring Classic zu begeistern.
Danke für viele unvergessliche Stunden und herzlichen Glückwunsch - Stefan Tennstädt!

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