Jubiläum des größten Rennfahrers aller Zeiten

MOTORSPORT Giacomo Agostini feiert seinen 80. Geburtstag

Sachsenring. 

Sachsenring. Mit dem allein schon wie Musik klingenden Namen Giacomo Agostini werden viele Erinnerungen an die 1960er- und 1970er-Jahre wach. Es war die Zeit, in der die Viertakter der italienischen Traditionsmarke MV Agusta in den großen Hubraumklassen der Motorrad-WM die Szenerie beherrschten sowie nach und nach wegen dem Nachdrängen der schnellen japanischen Zweitakter dem Untergang geweiht waren. Gary Hocking und auch Mike "The Bike" Hailwood eilten mit 350ern und 500ern des Grafen Agusta von Sieg zu Sieg. Beinahe untrennbar mit dem Namen MV Agusta verbunden ist aber jener von Giacomo Agostini. Der Rekordweltmeister errang 13 seiner 15 Titel auf MV Agusta, sechs in der Klasse bis 350 ccm und sieben in der Halbliter-Kategorie. Je einen weiteren errang Giacomo Agostini am Ende seiner Karriere auf Yamaha. Mit 122 Grand-Prix-Siegen ist er in allen Belangen der erfolgreichste Rennfahrer aller Zeiten und wird es wohl auch bleiben.

80 Jahre soll Giacomo Agostini inzwischen alt sein? Stimmt, denn wenngleich man ihn sieht, man sich einem End-60er gegenüber wähnt, jährt sich sein Geburtstag heute zum 80. Mal.

 

Rennfahrer gegen den Willen der Eltern

Geboren wurde Giacomo Agostini am 16. Juni 1942 in Brescia. Nach seiner Schulzeit arbeitete er im Betrieb seines Vaters, allerdings nicht besonders emsig, sondern eher nach Lust und Laune. Deutlich stärker prägte ihn sein erster Rennbesuch 1960 in Cesenatico. Ein Jahr später kaufte er sich eine Morini 175 und bestritt damit sein erstes Rennen. Es war das Bergrennen Trento-Bondone, das er gleich auf dem zweiten Platz beendete. Als seine Eltern in der Zeitung davon lasen, verboten sie ihrem Filius weitere Rennteilnahmen. Auf Dauer konnten die Eltern allerdings nicht verhindern, dass sich Giacomo erneut seiner neuen Leidenschaft hingab. So bestritt er 1962 weitere Bergrennen und feierte dabei weitere Erfolge.

1963 verpflichtete ihn Alfonso Morini für sein Werksteam als Teamkollege des zweifachen Weltmeisters Tarquini Provini, obwohl der junge Agostini noch keine zehn Rennen absolviert hatte. Im gleichen Jahr wurde er italienischer Junioren-Meister und bestritt in Monza bei den 250ern seinen ersten Grand Prix, bei dem er allerdings mit technischem Defekt ausfiel.

1964 wurde er dann Profi-Rennfahrer und mit fünf Siegen sowie einem technisch bedingten Ausfall bei sechs Rennen überlegen italienischer Meister. Ebenfalls 1964 erlebte er bei der deutschen WM-Runde auf der Stuttgarter Solitude seinen ersten Auslandsstart, wo er mit Platz vier hinter Phil Read, Jim Redman und Mike Duff auch die internationale Fachpresse sofort auf sich aufmerksam machte.

 

Agostini und MV Agusta bilden Dream-Team

Für 1965 holte ihn dann Conte Domenico Agusta zu MV. Da bis dahin, außer Carlo Ubbiali und Tarquinio Provini in der Achtel- bzw. Viertelliterklasse, nur John Surtees, Gary Hocking und Mike Hailwood WM-Titel in den großen Hubraumklassen errungen hatten, träumte der Graf von einem italienischen 500er-Weltmeister. Schnell wurde klar, dass Conte Agusta mit Giacomo Agostini das große Los gezogen hatte. Eigentlich sollte der noch 22-Jährige an der Seite seines Lehrmeisters Mike Hailwood reifen. Den verehrte Ago, was er auch durch sein Helmdesign zum Ausdruck brachte, welches am Anfang seiner Karriere noch identisch mit dem des Briten war und in seiner ersten MV-Saison mit der italienischen Nationalflagge ergänzt wurde.

1965 war wiederum Deutschland eine entscheidende Station seiner Karriere. Der zweite Saisonlauf wurde auf der Südschleife des Nürburgrings ausgetragen, wo Giacomo Agostini im Rennen der 350-ccm-Klasse auf der neuen Dreizylinder-MV seinen ersten GP-Sieg errang. Was damals aber noch niemand ahnen konnte: Diesem Sieg sollten noch 121! weitere folgen.

Sein erster Sieg in der Königsklasse (bis 500 ccm) folgte vier Monate später im finnischen Imatra. Am Jahresende war Ago dann in beiden Klassen Vizeweltmeister. 1966 fuhr Mike Hailwood für Honda, nachdem er bei MV Agusta vergrault worden war. Somit war "Ago" der Top-Fahrer bei MV und er enttäuschte seinen Arbeitgeber nicht. Mit drei Saisonsiegen wurde er vor Hailwood der erste italienische 500er-Weltmeister für das Werk in Gallarate. In der 350-ccm-Klasse konnte Hailwood den Spieß umdrehen. Doch was danach folgte ist bis heute einzigartig. Ein WM-Titel folgte dem anderen. In den beiden großen Hubraumklassen häufte "Ago Nazionale" insgesamt 15 Titel an. 1968 feierte Agostini in der Junior- (350ccm) und Senior-TT (500ccm) seine ersten Siege auf der schon damals gefürchteten Isle of Man. Zwei Jahre danach stellte er Mike Hailwoods Rekord von 1966 ein, indem er ebenfalls 19 Grand-Prix-Siege in einer Saison feierte. 1973 war es wiederum Giacomo Agostini, der einen Meilenstein in der Motorradgeschichte setzen konnte. Der Grand Prix von Belgien in Spa war das erste WM-Rennen mit einem Siegerschnitt von über 200 km/h und "Ago" brachte es auf einen Schnitt von 206,81 km/h.

 

"Ago" kann auch anders

Gegen Ende seiner Karriere wechselte Ago dann doch noch einmal den Rennstall und errang 1974 (350 ccm) und 1975 (500 ccm) auch für Yamaha WM-Titel. Damit strafte er all seine Kritiker Lügen, die seine Dominanz auf mangelnde Konkurrenz und das werkseitige Fernbleiben anderer Marken in dieser Epoche zurück führten. Dazu muss aber auch erwähnt werden, dass Giacomo Agostini die unteren Klassen im Eiltempo durchlaufen hatte und Firmenchefs, wie Alfonso Morini und Domenico Agusta, ständig nach Talenten für ihre Motorräder Ausschau hielten, Ago aber sicherlich nicht zufällig diesen Zuschlag erhielt. Auch die Tatsache, dass die 500er-Yamaha OW 26 1975 ein nutzbares Drehzahlband von gerade einmal 2.000 U/min. hatte, macht ihn gegen alle Vorwürfe erhaben, dass er nur mit der diesbezüglich gutmütigeren MV fahren und gewinnen konnte.

Auch seinen letzten Grand-Prix-Sieg errang Giacomo Agostini auf dem Nürburgring, weshalb er eine besondere Beziehung zum Eifelkurs entwickelt hat. Das war 1976.

Doch auch an den Sachsenring hat Ago beste Erinnerungen, hat er doch hier zwischen 1966 und 1972 elf Siege gefeiert.

 

Einzigartige Erfolgsbilanz

Nach 186 Rennen, bei denen er 159 Podestplätze und davon wiederum 122 Grand-Prix-Siege feierte, sprich, er verpasste gerade einmal 27 Siegerehrungen, und 15 WM-Titeln zog sich Giacomo Agostini vom aktiven Motorradrennsport zurück.

Danach versuchte er in einem Formel-2-Rennwagen eine Autokarriere zu starten, was allerdings misslang. Bereits während seiner aktiven Zeit liebäugelte Giacomo Agostini mit dem Autorennsport, doch jedwede Bestrebungen dieser Art waren ihm vertraglich untersagt. Für sein Mitwirken in zwei italienischen Spielfilmen, dabei war sogar eine Hauptrolle, erhielt der Frauenschwarm hingegen die Erlaubnis seines Arbeitgebers.

Zwischen 1980 und 1991 gab Giacomo Agostini seine Erfahrungen als Teammanager bei Yamaha und Cagiva an jungen Rennfahrer weiter. In dieser Funktion warfen ihm einige Kritiker übertriebene Sparsamkeit vor.

Heutzutage genießt er sein Pensionärsdasein in vollen Zügen und besucht ohne jeden Stress unregelmäßig ein paar Grand Prix. Oder aber er streift sich bei Classic-Veranstaltungen noch einmal sein nach wie vor wie angegossen sitzenden Renndress über, um ein paar Runden zu drehen.

Dies wird in diesem Jahr zwei Mal auch auf deutschsprachigem Raum sein. So wird er vom 15. bis 17. Juli ebenso der absolute Startgast bei der ADAC Sachsenring Classic sein, wie am 27. Und 28 August auf dem Red Bull Ring im Rahmen des Rupert-Hollaus Gedächtnisrennens.

Als vor fünf Jahren die ADAC Sachsenring Classic vom 16. bis 17. Juni ausgetragen wurde, nahm "Ago Nazionale" die Einladung trotzdem an und feierte schließlich sein 75. Wiegenfest fernab der Heimat, was einem Ritterschlag für die Rennstrecke und die Fans in Sachsen gleichkam.

 

"Agos" Karriere zum Nachschlagen

Seinen 80. Geburtstag nahm der Franzose Arnaldo Wittemberg zum Anlass, ein neues Buch über "Ago" zu erstellen. Dieses wird mit bisher unveröffentlichten Fotos, Interviews seiner Konkurrenten und einer umfangreichen Statistik über 200 Seiten haben und demnächst in den zwei Versionen italienisch-deutsch und englisch-französisch erhältlich sein. Gemäß seiner Rennsiege insgesamt ist eine Auflage auf 311 Exemplare limitiert, signiert, mit einem Echtheitszertifikat und einem speziellen Lesezeichen versehen und wird in einer luxuriösen Kassette geliefert. Diese Ausgabe kostet 123 Euro zzgl. Versandkosten. Das "Standardwerk" kostet 59 Euro zzgl. Versandkosten und kann ebenfalls direkt beim Team Agostini, Arnaldo Wittemberg, Tel. +33 675 784395 bestellt werden. Weitere Infos auch unter www.15-123.com.

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