Einmal ÖPNV und zurück: Unterwegs mit Klapprad-Klassiker

Bike-Check Fahren, falten, weiterfahren: Ein Faltrad ist - zusammen mit Bus und Bahn - im Stadtverkehr eine zeitsparende Sache. Und mit wachsender Routine ist auch der Extra-Stress beim Umsteigen bald bewältigt.

Die Regionalbahn fährt in fünf Minuten. Am Bahnsteig angekommen, gilt es, das Faltrad schnell in sich zusammenzulegen. Im fahrbereiten Zustand dürfte es zwar wie ein normales Rad ebenfalls mit ins Fahrradabteil, doch dann gälte es nicht als Gepäckstück.

Als solches aber bewerten die meisten Verkehrsverbünde wie auch die Deutsche Bahn Falträder: Sind sie eingeklappt, muss kein Fahrradticket gelöst werden. Auch für Inhaber eines 49-Euro-Tickets, die aus dem Umland regelmäßig in die Stadt pendeln, dürfte das Sparpotenzial interessant sein.

Fahrräder mit Klappfunktion gibt es schon lange. 1878 präsentierte der Londoner Ingenieur W. H. J. Grout ein zerlegbares Hochrad. "Es ist eines der ersten Falträder in der Geschichte des Fahrrads", sagt Faltradexperte Gunnar Fehlau.

Vergleichsweise neu am Markt sind Modelle von Vello, Bernds oder Tern. Zu den modernen Klassikern zählen das Birdy von Riese & Müller, das Moulton aus England, Modelle von Bike Friday aus Oregon und das Brompton aus London, das wir in der Version C Line Explore (6 Speed) zu Testzwecken ausprobieren.

Der Einsatzzweck:

Auf seiner Website protzt Brompton mit Heinz Stücke, der "laut Guinness-Buch der Rekorde am weitesten gereiste Mann der Welt": Über rund 50 Jahre besuchte er ab 1962 alle Länder der Welt mit dem Fahrrad und legte von den insgesamt rund 650 000 Kilometern 60 000 Kilometer mit einem Brompton zurück.

Doch eigentlich sei das Bike für Job und Freizeit gedacht: für junge Berufspendler, die mit Bahn zwischen zwei Orten zum Job pendeln, bis zu Ruheständlern, die es im Urlaub als Ergänzung zum Caravan, dem Wohnwagen oder einem Boot nutzen, sagt Jan Brinkmann als Marketingmitarbeiter bei Brompton. Zusammengelegt findet es im Kofferraum von Autos ebenso Platz wie an Bord von Fliegern oder Fähren.

Die Technik:

Um auf Akzeptanz bei Radlerinnen und Radlern zu treffen, muss bei einem Faltrad vor allem der Faltmechanismus überzeugen. Anfänger benötigen zunächst länger als die vom Hersteller angegebenen 20 Sekunden, um die 3-Wege-Falttechnik zu bedienen.

In stressigen Situationen am Bahnsteig freut man sich über jeden Hauch hinzugewonnener Routine. Der patentierte Mechanismus wirkt ausgreift und durchdacht, was man nach Jahrzehnten der Verfeinerungen auch erwarten darf. Sicher wirkt der Rahmenverschluss aus Knebelschraube und Alu-Klemmstücken, der an Lenkstange und Hauptrohr zum Einsatz kommt und sich mit Handkraft sehr fest anziehen lässt.

Interessant ist die Fertigungstiefe des Brompton: Kaum ein Teil am Rad stammt von Drittherstellern. Ausnahmen sind etwa der Sattel oder die Getriebenabe. Kette, Bremsgriffe oder Bremssättel lässt Brompton speziell herstellen. Der Vorteil: Damit sind die rund 1200 Teile, aus denen das Bike besteht, gut aufeinander abgestimmt, was laut dem britischen Hersteller "hohe Qualitätsstandards" ermöglicht.

Nachteil: Ersatzteile, die bei anderen Fahrrädern oft von den Zulieferer-Riesen stammen und beim Fachhändler vorrätig sind, müssen oft erst bestellt werden. Die Montage ist gegenüber Stangenware ungewohnt. Deshalb werden Fachhändler speziell geschult.

Der Fahreindruck:

"Kling", der Rahmen tönt hell, wenn man mit einem Schlüssel oder anderen Metallteil dagegen klopft - wir haben es mit der Stahlrahmen-Ausführung C Line zu tun, die samt Sechsgang-Schaltung und Gepäckträger dem Original von 1975 am nächsten kommt. Seitdem werden am Londoner Stammsitz Brompton-Falträder in Handarbeit gebaut. Jüngst vermeldete das Unternehmen das einmillionste produzierte Exemplar.

Kein Wunder also, dass sich das Fahren erwachsen anfühlt. Von der Konstruktion mit den langen Sattel- und Lenkrohren und den kleinen 16-Zoll-Rädern könnte man eine gewisse Instabilität erwarten. Doch nahezu ruhig gleitet das Brompton dahin, naturgemäß auch bei höheren Geschwindigkeiten, die man mit Pedalkraft dank der breit übersetzten Kombination aus 3-Gang-Nabe von Sturmey-Archer und 2-fach-Kettenschaltung spielend erreicht.

Als nervös, aber auch präzise auf Befehle hörend kann man das Lenkverhalten des Vorderrades empfinden. Andere würden sagen: genau das rechte Maß an Wendigkeit, die der Stadtverkehr mitunter fordert. Weil die Reifen am Testrad schmal sind, muss man a) bei Straßenbahnschienen höllisch aufpassen und b) mit recht hohem Luftdruck fahren. Das schmälert den Abrollkomfort.

Alle Vor- und Nachteile des Brompton mag man vor dem Hintergrund des oft bemühten Szenarios bewerten: seinem Einsatz in Kombination mit dem ÖPNV. Wie eine - zugegeben etwas schwere - Handtasche von gut zwölf Kilo lässt sich der Falter einigermaßen bequem über Treppen am Bahnsteig oder in den Zug schleppen.

Für längere Strecken zwischen den Gleisen oder vom Bahn- zum Busbahnhof lässt sich das zusammengeklappte Rad am ausgefahrenen Sattelrohr aber auch ziehen oder schieben. Komplett zusammengelegt findet es etwa unter den Sitzen öffentlicher Verkehrsmittel Platz oder lässt sich zwischen Sitzbänken unterbringen.

Weitere Bauteile, Zubehör, Peripherie:

Erwischt! Ein Lastesel ist das Brompton nicht. Der Alu-Gepäckträger am Testrad (Aufpreis: 140 Euro), ebenfalls eine passgenaue Eigenentwicklung, verträgt bis zu zehn Kilo Gewicht - nicht viel.

Ladung wird mit Gummibändern fixiert, alternativ bietet Brompton eine Gepäckträgertasche mit Schultergurt. Wer noch Lowrider-Taschen im Keller hat, kann diese am Trägergestänge ebenfalls einhängen, es muss kein originales Brompton-Produkt sein. Guten Dienst im Alltag leisten die im Serienumfang nicht enthaltenen Schutzbleche sowie die batteriebetriebene Frontleuchte.

Der Preis:

Die C Line Explore (6 Speed) kostet ab 1700 Euro, die dank Titanrahmen mit ab 7,45 Kilo besonders leichte T-Line schlägt mit mindestens 4750 Euro zu Buche. Als Pedelec kostet das Brompton ab 3495 Euro, wiegt dann aber auch jenseits der 15 Kilo.

Das Fazit:

Faltbar, praktisch, gut - der britische Faltrad-Klassiker bewährt sich als Ergänzung auf alltäglichen Wegen. Das System bringt mit sich, dass das Origami-Stahlross keine Sänfte ist und die Ladekapazitäten trotz findiger Lösungen beschränkt sind. Dafür dürfte mancher Radler aufatmen, die letzte Meile im Sattel statt in einer vollen U-Bahn bestreiten zu können.

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