Wo einst Menschen starben, wächst Deutschland jetzt zusammen

Denkmal Am Sonntag hat der ehemalige DDR-Grenzturm in Heinersgrün erstmals geöffnet

Heinersgrün. 

Heinersgrün. Über 800 solcher gefürchteten Wachtürme hat es 1989 gegeben. Hier starben Menschen, die von Deutschland nach Deutschland wollten. Das aber verhinderten von 1961 bis 1989 Stacheldraht und Todeszone. Mit dem Fall der Mauer folgte der Abriss der meisten Grenztürme. Dass dieses Mahnmal in Heinersgrün nicht nur die ehemalige DDR überlebte, ist ein großes Glück. "Und das ist euer Verdienst", zeigte der Hofer Landrat Dr. Oliver Bär auf die "Ostpolitiker". Vogtland-Landrat Thomas Hennig winkte die Kamera gleich weiter: "Hier! Die Beiden waren das." Die Blicke richteten sich auf den Wahlkreisabgeordneten Andreas Heinz und den ehemaligen Landrat Rolf Keil. Es ist der späte Lohn für ihren Kampf, der sieben Jahre dauerte. "Danke! Wir erleben erst jetzt, wie sehr wir solche Orte brauchen. Orte, an denen wir uns erinnern. Sie machen einen deutlichen Unterschied zum Lehrbuch oder zum Wikipedia-Eintrag", stellte Dr. Oliver Bär fest.

Politprominenz hat den Grenzturm eingeweiht

Der Oberfranke und die bayerische Staatsministerin für Europaangelegenheiten, Marie Huml, waren ebenso angereist wie der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer. Der Landrat Thomas Fügmann (Saale-Orla-Kreis, Thüringen) sieht "genau hier unsere Region endlich wieder zusammenwachsen. Nur diese 40 Jahre DDR und die 28 Jahre Mauer haben uns von einander getrennt!" Als Vogtländer und Nebenerwerbslandwirt weiß Andreas Heinz: "Unsere drei Freistaaten, also Thüringen, Bayern und Sachsen gehören historisch gesehen zusammen. Hier in Heinersgrün werden das die Menschen spüren. Der Wachturm hat seinen Schrecken verloren und er trennt uns nicht mehr, sondern er verbindet uns alle, die wir in dieser Region zu Hause sind", so der Wahlkreisabgeordnete, der seit 30 Jahren im sächsischen Landtag für die Vogtländer kämpft. "Die Wunde, die einst die deutsche Teilung in unser Land gerissen hat, sie heilt genau an dieser Stelle. Wenngleich wir den Tod von Peter Stegemann leider nicht heilen können", fügte Dr. Oliver Bär hinzu.

Ost-West-Flüchtling Peter Stegemann ist einer der Toten

Peter Stegemann hatte am 21. Juli 1978 seinen Versuch, in Heinersgrün den Grenzzaun zu überklettern, nicht überlebt. Er erreichte zwar den Schutzstreifen, löste jedoch dort die sogenannte Selbstschussanlage aus. "Sein Körper weist über 50 Verletzungen auf", heißt es später in einem geheimen Bericht. Die Stasi verschleierte die Todesursache und vor allem die Umstände. Erst nach dem Fall der Mauer wurde dieser Todesfall richtig publik. Peter Stegemann hinterließ eine Frau und zwei Kinder. Andreas Heinz war sich "ganz sicher, dass wir hier für den Erhalt dieses Grenzturmes kämpfen müssen. Das war nicht leicht. Unter anderem galt es, das Grundstück von einer zerstrittenen Erbengemeinschaft zu erwerben, wofür ich dem Landkreis und besonders Rolf Keil sehr dankbar bin", erinnert sich der Wahlkreisabgeordnete.

Museale Außenstelle des Deutsch-Deutschen Museums Mödlareuth

Insgesamt 278.000 Euro Fördergeld steckten der Freistaat Sachsen und der Vogtlandkreis in die Sanierung dieser einstigen Führungsstelle. Von nun an steht der Grenzturm Heinersgrün den Besuchern offen. Vogtland-Landrat Thomas Hennig: "Das weithin sichtbare Mahnmal der innerdeutscher Teilung steht direkt an der Autobahn A72. Von hier aus komme ich in Windeseile zu unseren Nachbarn und die zu uns!" Nach rund dreijähriger Restaurierung hatte Landrat Thomas Hennig jetzt in Heinersgrün den ehemaligen Grenzturm im Todesstreifen als Mahnmal deutsch-deutscher Teilung wiedereröffnet. Eigentümer des Turmes bleibt der Vogtlandkreis, betrieben wird die Gedenkstätte allerdings künftig als museale Außenstelle durch das Deutsch-Deutsche Museum Mödlareuth.

Besichtigungsmöglichkeiten: Was Besucher wissen sollten

Im Rahmen der Bildungsarbeit des Museums Mödlareuth wird zukünftig die Besichtigung des Turmes in Form von Tages- oder Dreitagesseminaren möglich sein. Nach Voranmeldung und Absprache können auch Gruppen den Turm besichtigen. Der Grenzturm öffnet ferner an historischen und kulturellen Jahrestagen, so beispielsweise am Tag des offenen Denkmals, also am kommenden Sonntag, dem 10. September 2023 sowie am Tag der deutschen Einheit (3. Oktober 2023). Info: Als Verein zur Aufarbeitung und Vermittlung der regionalen Zeitgeschichte betreut der Vogtland89 e.V. künftig diesen authentischen Ort des einstigen DDR-Grenzregimes, um nachwachsenden Generationen die Zeit von damals vorstellbar zu erläutern. "Dazu sind wir das erste Mal am Tag des Offenen Denkmals am 10. September vor Ort", teilt Pressesprecher Dirk Heinze mit. Weitere Informationen gibt es im Internet.

Vogtlandkreis begann vor 20 Jahren mit dem Rückkauf

Seit 2003 wurde der Alteigentümer immer wieder durch die Denkmalschutzbehörde beziehungsweise die Bauaufsichtsbehörde des Landkreises aufgefordert, Sicherungsmaßnahmen am Grenzturm Heinersgrün durchzuführen. Parallel dazu bekundete der Landkreis seit 2015 gegenüber dem Eigentümer Kaufinteresse. 2016 erklärte der Alteigentümer, dass er sich vorstellen könne, das Grundstück samt Turm an den Landkreis zu verkaufen. Gleichlaufend wurde in einer Vielzahl von Abstimmungen mit den unterschiedlichsten Ministerien des Freistaates Sachsen die Finanzierung geklärt. Schlussendlich war noch das Nutzungskonzept mit dem Dt.-Dt. Museum Mödlareuth aufzustellen. Im August 2019 wurde schließlich der Kaufvertrag unterzeichnet. Elf Informationstafeln mit Fotos, Dokumenten, Texten im Innen- und im Außenbereich gibt es. Der Turm ist mit dem Pkw über die Kreisstraße Heinersgrün-Gutenfürst (Kammweg) erreichbar sowie fußläufig über einen Wanderweg.

 

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