Kretschmer fordert "Sichere Energieversorgung mit Energieträgern, über die wir selber verfügen"

Michael Kretschmer im BLICK-Interview Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine beschäftigt derzeit auch die Menschen in Sachsen. Neben der Betroffenheit über das Leid, das der Krieg über die Menschen im Kriegsgebiet bringt, ergeben sich auch für die Menschen hierzulande ganz konkrete Probleme.

Herr Kretschmer, welche Auswirkungen des Konflikts erwarten Sie auf die Entwicklung der Energiepreise in Sachsen?

Die Energiepreise in Sachsen werden vom Weltmarkt vorgegeben und durch die bundespolitischen Entscheidungen bestimmt. Wir brauchen eine sichere Energieversorgung mit Energieträgern, über die wir selber verfügen, das ist vor allem die Braunkohle. Und zwar heute, nicht in mehreren Jahren. Stromerzeugung durch Gas statt Braunkohle verteuert den Strompreis weiter spürbar. Die Erneuerbaren Energien werden bestenfalls mittelfristig zuverlässig und ausreichend verfügbar sein.

 

Viele sozial schwächere Bürger fürchten, dass sie die Kosten für Energie künftig nicht mehr aufbringen können. Wie will der Freistaat diese Bürger unterstützen?

Die Bundesregierung hat beschlossen, den Preisanstieg durch Wegfall der Umlage für Erneuerbare Energien und durch Anhebung der Pendlerpauschale abzumildern. Weiterhin wird es einen Heizkostenzuschuss für Wohngeldbeziehende, Studierende, Schülerinnen und Schüler sowie Auszubildende mit unterstützenden Leistungen geben. Die Maßnahmen sind richtig, in der Summe aber zu gering und mildern nur die Konsequenzen unausgewogener Entscheidungen ab. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass die Bezahlbarkeit stärker in den Blick genommen wird und Alternativen geprüft oder zumindest diskutiert werden, bevor vollendete Tatsachen geschaffen werden.

 

Der Handel Sachsens mit Russland ist aufgrund von früher verhängten Sanktionen bereits zurückgegangen. Trotzdem ist der russische Markt ein wichtiges Standbein für die sächsische Wirtschaft, vor allem im Maschinenbau. Welche Auswirkungen erwarten Sie durch die neuen scharfen Sanktionen auf die sächsische Wirtschaft?

Einen Rückgang der Exporte nach Russland beobachten wir bereits seit 2013. Ursachen dafür waren nicht nur die Sanktionen, sondern auch die Schwäche des Rubel, der Rückgang bei den Investitionen in Russland und die zeitweise niedrigen Rohstoffpreise. In den Jahren zuvor hatte sich das sächsische Handelsvolumen mit Russland vor dem Hintergrund hoher Weltmarktpreise für Erdöl vorübergehend auf ungewöhnlich hohem Niveau bewegt. Insofern waren die Sanktionen nicht der einzige Grund für den Rückgang unseres Handelsvolumens mit Russland. Die konkreten Auswirkungen der jetzt verhängten Sanktionen auf die sächsische Wirtschaft lassen sich zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht beziffern. Vor dem Angriff auf die Ukraine lag Russland im Länderranking der 20 wichtigsten Exportländer Sachsens lediglich auf Platz 18.

 

Wie wollen Sie betroffene sächsische Betriebe unterstützen?

Um konkrete Aussagen zu Unterstützungsmöglichkeiten geben zu können, brauchen wir zunächst ein genaues Bild zur Betroffenheit. Das ist die Basis für einen eventuellen Unterstützungsbedarf. Genau mit diesem Ziel steht das Sächsische Wirtschaftsministerium derzeit in enger Abstimmung mit den Kammern und Verbänden. Schon jetzt steht das Beratungszentrum Konsolidierung bei der Sächsischen Aufbaubank zur Verfügung. Es berät Unternehmen, die in finanzielle Schwierigkeiten gekommen sind und prüft die Nutzung geeigneter Programme. Auch der Bund stellt derzeit Überlegungen zu Sanktionshilfen für betroffene Unternehmen an, neben den zinsverbilligten Darlehen der KfW.

 

Neben dem Krieg in der Ukraine ist die Corona-Pandemie nach wie vor ein Thema, das die Sachsen beschäftigt. Derzeit entspannt sich die Lage in Sachen Corona merklich, was der Freistaat mit Lockerungen bei den Corona-Beschränkungen begleitet. Wie sehen Sie die weitere Entwicklung?

Sachsen bewegt sich bei der Inzidenz seit einiger Zeit im bundesweiten Mittelfeld. Eine Überlastung des sächsischen Gesundheitssystems besteht aktuell nicht und ist in absehbarer Zeit nach derzeitigen Prognosen auch nicht erkennbar. Es ist anzunehmen, dass sich die Lage über den Frühling und Sommer weiter entspannen wird. Für den Herbst erwarten die Experten einen erneuten Anstieg der Infektionen. In welcher Form und in welchem Umfang dies stattfinden wird, ist heute schwer vorherzusagen.

 

Welche weiteren Einschränkungen können Ihrer Meinung nach in den nächsten Wochen aufgehoben werden?

Aufgrund der Lage in den sächsischen Krankenhäusern konnten mit der aktuellen Corona-Schutz-Verordnung seit dem 4. März 2022 die Einschränkungen weiter reduziert werden. In fast allen Bereichen gilt nun die 3G-Regel. Dies betrifft zum Beispiel Gastronomie, Hotels, touristische Bus- und Bahnfahrten, Kultur- und Freizeiteinrichtungen, körpernahe Dienstleistungen und Sport im Innenbereich. Auch Großveranstaltungen sind wieder möglich. Nicht zuletzt können endlich auch Clubs und Diskotheken mit der 2G-Plus Regel wieder öffnen. In den Schulen entfällt seit 7. März 2022 die Maskenpflicht im Unterricht.

 

Welche Einschränkungen sehen Sie auch in Zukunft trotzdem noch als wichtig an?

Das hängt maßgeblich von der weiteren Entwicklung des Infektionsgeschehens ab. Die bundesrechtliche Möglichkeit nach dem Infektionsschutzgesetz Schutzmaßnahmen festzulegen, läuft am 19. März 2022 aus. Es bleib abzuwarten, wie sich der Bund für die Zeit nach dem 20. März 2022 entscheidet. Es sollte aus meiner Sicht den Ländern die Möglichkeit eingeräumt werden auf ein Set an Basisschutzmaßnahmen zurückgreifen zu können, wenn es das Infektionsgeschehen erfordert.

Wichtig ist und bleibt eigenverantwortliches Handeln der Bürgerinnen und Bürger im Hinblick auf grundlegende Hygienemaßnahmen, um weiterhin insbesondere die vulnerablen Gruppen bestmöglich zu schützen.

Unmittelbar damit zusammen hängt ja auch das Thema Impfpflicht, das viele Menschen beschäftigt. Hier gibt es vor allem Bedenken, dass die Umsetzung zu einem weiteren nicht unwesentlichen Verlust an dringend benötigten Pflegekräften führen wird. Wie sehen Sie die Situation in den Pflegeeinrichtungen im Freistaat?

 

Welche Auswirkungen erwarten Sie bei einer Umsetzung der Impfpflicht?

Uns haben vor dem Inkrafttreten der einrichtungsbezogenen Impfpflicht insbesondere für Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen viele Nachrichten und Appelle von Einrichtungsbetreibern, Ärzten und Pflegekräften, aber auch von kommunalen Verantwortungsträgern erreicht. Sie alle befürchten, dass bei Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht gehäufte Kündigungen und damit Versorgungsprobleme entstehen könnten.

Das Sozialministerium und die Kommunen und Landkreise, haben sich darauf verständigt, dass bei der Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht die Versorgungssicherheit im Vordergrund steht. Den sächsischen Gesundheitsämtern wurden daher Handlungshinweise zur Verfügung gestellt, die ihnen einen möglichst großen Ermessens- und Einschätzungsspielraum zur Prüfung eines jeden Einzelfalls einräumen. Sie gewährleisten aber auch ein einheitliches Vorgehen in Sachsen.

Darüber hinaus haben wir die Impfangebote für die Beschäftigten erhöht, indem wir für sie besondere Gesundheitsimpftage anbieten. Und wir hoffen, dass der Impfstoff von Novavax, auf den viele gewartet haben, noch zahlreiche Beschäftigte in den Einrichtungen, die bislang gezögert haben, überzeugt.

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