Wenn Kinder töten...

Anikas Einblick Warum Kinder und Jugendliche zu Mördern werden können?

Dortmund. 

Wenn Kinder töten: Es ist wie eine Geschichte aus einem Horrorfilm: Ein 13-Jähriger soll einen 31-jährigen Obdachlosen mittels mehrerer Messerstiche in Dortmund letzte Woche getötet haben. (BLICK.de berichtete) Zwei jugendliche Freunde waren dabei und haben die Tat gefilmt (Video liegt der Polizei vor), eine verbale Auseinandersetzung soll vorangegangen sein. Wie Medien berichteten, sei das Opfer während der Auseinandersetzung zudem ins Hafenbecken gefallen und habe noch an einer Leiter aus dem Kanal klettern können. Trotz Reanimationsmaßnahmen eines Notarztes erlag das Opfer den Verletzungen am Tatort.

Erst vor knapp einem Jahr, im März 2023, ging ein anderer Fall, indem Kinder töteten durch die deutschen Nachrichten: Der Fall der 12-jährigen Luise aus der kleinen westfälischen Stadt Freundenberg. Sie wurde von zwei Mädchen (12, 13), angeblich Mitschülerinnen von ihr, mit zahlreichen Messerstichen getötet wurde.

Zahl der tatverdächtigen Jugendlichen und Kinder zuletzt gestiegen

Die aktuelle Polizei Kriminalstatistik (PKS)* zeigt, dass die Anzahl (282.244) von tatverdächtigen Kinder und Jugendlichen 2022 viel höher lag als im Vorjahr (223.614). Zwischen 60.000 und 70.000 tatverdächtige Kinder gab es jährlich seit 2018. 2022 war die Zahl auf über 93.000 rapide angestiegen. Insgesamt würde die Anzahl an Tatverdächtigen dieser Altersgruppen in Verlauf der letzten 20 Jahre jedoch abnehmen. Auch dutzende Amokläufe von Jugendlichen gehen jedes Jahr um die Welt. Übrigens: Bei Minderjährigen unter 14 Jahren spricht man noch von Kindern, zwischen 14 und 18 Jahren von Jugendlichen und von 18 bis 21 Jahren von Heranwachsenden.

Die Frage nach dem "Warum"

Die Frage, die wohl die meisten Menschen, inklusive mir, beschäftigt: Warum werden Kinder zu Mördern? Was muss passieren, dass Kinder oder Jugendliche derart eskalieren, dass es zu heftigen Gewalt- und sogar Tötungsdelikten kommt? Ich habe mich auf die Suche nach möglichen Antworten gemacht.

Jugendpsychiater Helmut Remschmidt hat 2019 sein Buch mit dem Titel "Wenn junge Menschen töten: Ein Kinder- und Jugenspsychiater berichtet" veröffentlicht. Darin geht er genauer auf mögliche Motive und psychischen Entwicklungen bei Minderjährigen ein. Es gebe eine Reihe an Faktoren, die bereits in der frühen Kindheit Gewalt begünstigen würden. Dazu würden beispielsweise Schule schwänzen, Tierquälerei, Straftaten vor dem 10. Lebensjahr, sexuelle Motive, Drogen- und Alkoholkonsum und viele mehr zählen. Er betont aber auch, dass Tötungsdelikte in fast allen Fällen von kindlichen und jugendlichen Tätern nicht geplant wären, sondern sich aus Situationen heraus ergeben würden.

Zu einem kindlichen Mörder oder einer Totschlägerin wird man nicht geboren, dazu wird man gemacht.

Auch Kriminologe Christian Pfeiffer berichtete letztes Jahr nach dem Tod von Luise in einem Interview über mögliche Ursachen von eskalierender Gewalt bei Kindern. "Zu einem kindlichen Mörder oder einer Totschlägerin wird man nicht geboren, dazu wird man gemacht." Wenn Kinder liebevoll und gewaltfrei erzogen würden, würde es nicht zu solchen Taten kommen. "Wer aber sehr viel Frust angehäuft hat, Ohmachtgefühle erlebt hat, selber gelitten hat unter schlimmen Erfahrungen, der ist eher instabil und dann auch eher überwältigt von Wut.", so Pfeiffer.

"Gewalt ist eine Lösung"

Der Satz "Gewalt ist keine Lösung" wird uns von Klein auf mit auf den Weg gegeben. Doch Dipl.-Kriminologe /-Sozialpädagoge Dr. Frank Robertz und Schriftsteller Ruben Wickenhäuser erklären in ihrem Buch "Kriegerträume - Warum unsere Kinder zu Gewalttätern werden" (2010), dass für viele Kinder und Jugendliche "Gewalt oft sogar die einzige Lösung [ist], die sie wahrnehmen. […] Gewalt kann von ihnen ganz gezielt genutzt werden, um die eigenen Grenzen zu erfahren. Gewalt kann auch dem Gewinn von eigenem sozialen Status dienen."

In allem, was ich zum Thema gelesen habe, ist man sich ziemlich einig, dass Minderjährige nicht einfach so zum Mörder werden. Es muss auffälliges Verhalten im Vorfeld gegeben haben. Kinder lernen innerhalb des Erwachsenwerdens und der Pubertät erst mit ihren Gefühlen so richtig umzugehen. Wenn Jugendliche oder Kinder die Kontrolle verlieren, passiert dies meist nicht unter Vorsatz. Oft sind diese jungen Täter im Nachhinein schockiert über ihr Verhalten, vor allem wenn sie dann verstehen, was sie angerichtet haben und welcher Konsequenzen das Verhalten haben wird. Deshalb sollte ausfälliges Verhalten beobachtet und mit Erziehungsberechtigten und im schlimmsten Fall mit dem Jugendamt besprochen werden. 

Welche Konsequenzen gibt es?

Erst ab 14 Jahren ist man in Deutschland strafmündig. Im Fall der beiden Mädchen aus Freudenberg, gab es deshalb keinen Prozess, da sie unter 14 Jahren waren. Dies wird wohl auch im Fall des 13-Jährigen aus Dortmund passieren. Aber welche Konsequenzen gibt es dann überhaupt für die Täter und Täterinnen?

Im Fall der ermordeten 12-jährigen Luise haben die beiden Täterinnen mit samt ihren Familien Freudenberg verlassen. Die Mädchen wurden in Einrichtungen des Jugendamtes außerhalb des familiären Umfelds untergebracht und werden seitdem intensiv betreut. Viel mehr ist der Öffentlichkeit nicht zum Fall bekannt. Hier greifen verschiedene Schutzmechanismen, aufgrund des jungen Alters der Täterinnen.

Nach dem tödlichen Messerangriff auf einen Obdachlosen am Dortmunder Hafen ist der 13-jährige Tatverdächtige in eine geschlossene Einrichtung gebracht worden. Das teilte ein Sprecher der Dortmunder Staatsanwaltschaft am heutigen Montag mit.

*(Quelle: Statista, 2024)



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