Deep Time Experiment: 40 Tage unter der Erde

Anikas Blick in die Wissenschaft "Aufwendigstes Experiment der Menschheitsgeschichte" enthüllt neue Erkenntnisse zum Schlaf-Wach-Rhythmus

Anikas Blick in die Wissenschaft
Frankreich. 

40 Tage in einer Höhle eingesperrt, ohne Tageslicht oder einen Bezug zur Zeit… Was macht das mit dem menschlichen Körper? Verschiebt sich die innere Uhr, gerät die Psyche an ihre Grenzen und welchen Einfluss hat die Zugehörigkeit zur Gruppe darauf? Außerdem haben Menschen ein unterschiedliches Zeitgefühl, doch woher kommt das? 15 freiwillige Versuchspersonen haben diesen Versuch gewagt. Sie sind im Frühling 2021 in den französischen Pyrenäen in eine wissenschaftlich präparierte Höhle bei 10 Grad Celsius und 100 Prozent konstanter Luftfeuchtigkeit für 40 Tage abgestiegen. Dieser Versuch wurde vom französischen Forscher Christian Clot initiiert, der ebenfalls als Leiter abstieg und den Versuch wagte. Er selbst beschreibt das Experiment als "aufwendigstes der Menschheitsgeschichte".


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"Deep Time Experiment" hat 1,2 Millionen Euro gekostet

Die wissenschaftliche Studie wurde zu einer filmischen Dokumentation "Deep Time - 40 Tage Extremerfahrung" aufbereitet, um die Welt von den Ergebnissen teilhaben zu lassen. Ende Oktober strahlte der Sender Arte das Ganze in Deutschland aus. Da habe ich die erste Berührung mit dem "Deep Time Experiment" gehabt. Und die Ergebnisse fand ich so verblüffend, dass ich immer wieder darüber nachdenken musste. Insgesamt hat die Durchführung des Versuchs 1,2 Millionen Euro gekostet.

Der französische Forscher Clot sagte über das Experiment: "40 Tage unter der Erde, um die Zusammenhänge zwischen unserem Gehirn und der Zeit sowie der Fähigkeit zur funktionalen Synchronisation innerhalb einer Gruppe zu erforschen. Dies ist eine grundlegende Notwendigkeit für unsere Zukunft." Wir leben alle in einem 24-Stunden-Tag-Nacht-Rhythmus, aber ist dieser überhaupt natürlich? 

Probanden unter strengem Auswahlverfahren ausgesucht

Das Experiment brachte viele Herausforderungen mit sich: Die Gruppe musste ein Camp in der Lombrives-Cave aufschlagen (es gab drei getrennte Lebensbereiche: einer zum Wohnen, einer zum Schlafen und einer zur Forschung), selbst mit Muskelkraft Strom erzeugen (für Licht und zum Essen kochen) und sich gegenseitig weiterbilden, wie z.B. das Klettern in der Höhle funktioniert, damit sie Wasser aus einem 45 Meter tiefen Höhlenbrunnen holen können, was überlebensnotwendig ist. Neben Leiter Clot waren sieben Frauen und Männer im Alter zwischen 27 und 50 Jahren in einem strengen Auswahlverfahren ausgewählt wurden. Dabei waren keinerlei Spezialisten für schwierige Lebensbedingungen, sondern Berufsgruppen wie Kommunikationsmanager, Pflegepersonal, Juwelier, Seilzugangstechniker, Analytiker, Lehrer oder Biologen.  Vier Tonnen Material wurden für den Versuch in die Höhle gebracht.

"Bis heute gibt es keine Studien, die es uns ermöglichen, herauszufinden, was in unseren Gehirnen wirklich vor sich geht, wenn sie das echte Leben leben. Es gab nur wenige Möglichkeiten, wissenschaftliche Experimente unter so spezifischen Bedingungen wie diesen durchzuführen", erinnert Christian Clot. "Dies erfordert sehr spezifische Versuchsprotokolle außerhalb der Labors, mit innovativen, aber gut erprobten Methoden", so Stéphane Besnard, einer der wissenschaftlichen Leiter des Projekts vom Human Adaption Institute. Rund 30 Wissenschaftler darunter Neurobiologen, Ethologen, Genetiker, Kardiologen, haben die Deeptimer begleitet und deren Ergebnisse ausgewertet.

Die Ergebnisse des "Deep Time Experiments"

Als Ergebnis zeigten sich über die 40 Tage drei mentale Zustandsveränderungen von anfänglicher Motivation, hin zu Lethargie bis zur Zurückgewinnung der Motivation und des Teamgeists. Vor allem ein künstlich erzeugter Lichtausfall von 24 Stunden brachte neuen Teamgeist in die Gruppe. Es zeigte sich außerdem, dass das sich das Zeitgefühl verlangsamte. Die Probanden waren länger wach als im Alltag, sodass die meisten verwundert waren, als das Experiment nach den 40 Tagen beendet wurde, da sie dachten, es wären erst 30 Tage vorbei. Der menschliche Körper scheint damit längere Wach- und Schlafzeiten durchhalten zu können.

Das fand ich sehr einleuchtend. Ich bin ein absoluter Nachtmensch und bin oftmals dann, wenn ich ins Bett gehen müsste, noch nicht so müde. Ich habe mir oft eingeredet, dass ich mich nicht genug körperlich betätigt habe, aber scheinbar ist das nicht zwingend so, wie diese Studie nun zeigte. Dem menschlichen Körper ist also eine längere Wach-Schlafperiode zumutbar. Das aber nur im Einklang, also immer wenig schlafen und viel wach sein funktioniert nicht. Der Körper muss sich genügend ausruhen. Weitere Ergebnisse und Infos zum Versuch findet ihr im dazu erschienenen Buch "Deep Time - 40 jours sous terre" und auf der dazu gehörigen Webseite.

Kritik am Versuch

Neben all den positiven Erkenntnissen, die die Studie mit sich brachte, gab es auch eine Menge Kritik. Vor allem die Bedingungen für die Versuchspersonen waren sehr hart. Sich in einen 45 Meter tiefen Brunnen abzuseilen, wenn man das vorher noch nie gemacht hat, ist sehr riskant, meiner Meinung nach. Auch wurde kritisiert, dass die Probanden langfristige psychologische Schäden aufweisen könnten. Eine sehr genaue psychische Nachbetreuung sollte dies ausschließen. Die Ethikkommission hatte sich auch mit der Studie beschäftigt.

Final muss man aber sagen, dass das "Deep Time Experiment" unglaublich wichtige Erkenntnisse für die menschliche Gesundheit gebracht hat, die für künftige Weltraum- oder U-Boot-Missionen wichtig werden.

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