Muss Brot zum Billigpreis verramscht werden?

Nachgefragt Bäckermeister Thomas Schlitter spricht Klartext

Weischlitz. 

Weischlitz.Sie sind die Retter der Nacht und die Helden des Morgens. Kein anderes Land in der Welt wird für seine Brotkultur so geschätzt. Doch das deutsche Bäckerhandwerk stirbt aus. Backstationen und Fertigprodukte aus dem Regal erobern die Kundenherzen. Muss Brot zum Billigpreis verramscht werden? Die Frage hat Thomas Schlitter beantwortet. Tausende Euro hat der Handwerker investiert. Equipment, Arbeitsbedingungen, Ware: Nie zuvor in der Geschichte ging es den Bäckereien besser als heute. Wo ist dann das Problem? "Es ist unser aller Verhalten", sagt Thomas, der niemanden angreifen oder zurechtstutzen will. Aber Thomas gibt zu bedenken: "2.000 Euro für den Sommerurlaub. 600 Euro für einen Satz neue Reifen. Eine Konzertkarte darf auch 100 Euro kosten. Verlange ich als Bäcker für mein Brot 3,15 Euro, stöhnen manche Leute und berichten mir vom Supermarkt, wo ein Brot 2,35 Euro kostet und man beim Discounter sogar nur 1,90 Euro bezahlt", beginnt der Bäckermeister vorzurechnen. Thomas stammt urplötzlich aus Oelsnitz und ist der Liebe wegen nach Weischlitz gezogen. Dort hat er vor elf Jahren die Bäckerei vom Schwiegervater Dietmar Trauer übernommen. Thomas gibt zu: "Bäckerbrot wirkt zunächst etwas teurer. Wenn man es aber genauer betrachtet und alle Aspekte einbezieht, dann ist es gar nicht so. Ein Brot ergibt rund 20 Scheiben a 50 Gramm, somit würde eine Scheibe Bäckerbrot 16 Cent kosten." Beim Discounterbrot lassen sich gerade einmal sieben Cent pro Scheibe sparen. "Rettet das die Welt oder die Haushaltskasse?", fragt Thomas Schlitter.

 

Es ist eine Schande: Brot wird einfach so weggeschmissen

 

Verrückt: Discounter-Brot wird zudem noch leichtsinniger weggeschmissen. Das deutsche Durchschnittseinkommen sorgt dafür, dass man nur wenige Minuten arbeiten, um sich das Täglichbrot zu verdienen. "Leider gibt es zur Zeit Supermärkte und Discounter, die 1 Kilogramm Brot zum Preis von 1 Euro anbieten. Dieser Preis ist jedoch nur ein Lockmittel, um Kunden zu gewinnen. Dadurch sinkt die Wertschätzung für handwerklich hergestelltes Bäckerbrot unheimlich", gibt Thomas Schlitter zu bedenken. 500.000 Tonnen Brot werden jährlich weggeworfen. Ramschpreise unterstützen das noch. Thomas klagt: "Wer glaubt, für 1 Euro ein richtig handwerklich hergestelltes Bäckerbrot zu bekommen, der irrt. Es wird den Kunden eine handwerkliche Qualität und Herstellung regelrecht vorgegaukelt. Meist sind diese Backwaren nur im warmen Zustand genießbar. Richtiges Bäckerbrot jedoch bei richtiger Lagerung hält etwa eine Woche." Was die Gesellschaft vergessen hat: "Ein kleiner Bäckerladen ist mehr als nur eine Verkaufsstelle. Man trifft sich, unterhält sich, pflegt soziale Kontakte und wird freundlich beraten und bedient. Kann das der Brotbackautomat im Supermarkt auch?" Die Frage meint Thomas natürlich nicht ernst. Aufgrund von Nachwuchsproblemen sinkt die Zahl der kleinen Bäckerläden und qualitativ hochwertigen Backwaren von Jahr zu Jahr. Wie lange es noch dauert bis zum Exitus, statistisch gesehen lässt sich der Zeitpunkt bereits jetzt errechnen. Verkaufs-Chefin Corina Schlitter spricht für ihre zwölf Mitarbeiter: "Die Coronapandemie hat so manchem die Augen geöffnet. In Krisenzeiten sind es die Nachbarn und die kleinen Unternehmen, die jederzeit hilfs- und lieferbereit sind." Thomas Schlitter schließt mit den Worten: "Wenn uns der Urlaub, das Auto und Konzert mehr Wert ist, als unser eigener Körper, sollten wir vielleicht einmal über den Sinn des Lebens nachdenken, bevor wir alles Mögliche in uns reinstopfen."

 

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